Orgel in der Dorfkirche Wittgensdorf

„Eine Kirche ohne Orgel ist wie ein Körper ohne Seele!“

Die Orgel des Monats Juli steht im sächsischen Wittgensdorf

Mit diesem Albert Schweitzer zugeschriebenen Satz werben die Bürger im sächsischen Wittgensdorf bei Chemnitz um Spenden für die Generalüberholung ihrer Orgel. Noch ist diese bespielbar, doch die Widergabe ihres ursprünglich weichen, romantischen Klangs wurde in den letzten Jahren zunehmend beeinträchtigt – mittlerweile fallen immer öfter Töne aus. Für die Gemeinde, deren gottesdienstliches und kulturelles Leben ist das ein großes Unglück. Deswegen setzt man in Wittgensdorf alles daran, die herausragende Orgel restaurieren zu lassen; die Bemühungen zeigen Erfolg.

Erbaut wurde das kostbare Instrument als Opus 387 der ehemaligen königlich sächsischen Hoforgelbaufirma Jehmlich in Dresden. Damals, im Jahr 1921, leiteten die Brüder Emil und Bruno Jehmlich den Betrieb in dritter Generation. Innovativ und talentiert hatten sie 1888 die erste sächsische Orgel mit pneumatischer Traktur entwickelt; ihre Instrumente verbanden hohes technisches Niveau mit einer Klangwelt von großer dynamischer Spannweite und differenziertem Farbreichtum. Mehr als 400 Orgeln von Schweden bis nach Mexiko entstanden unter ihrer Leitung, darunter auch die viermanualige Orgel in der Dresdner Kreuzkirche (1911).

Die Wittgensdorfer Jehmlich-Orgel wurde somit auf der Basis großer Erfahrung und jahrelangem innovativen Schaffen gebaut. Dass sie das Werk wahrer Meister ihres Fachs ist, zeigt sie auch: Mit ihren drei Manualen, 29 klingenden Registern und einem selbständigen Fernwerk besitzt die „Orgel des Monats Juli“ der Stiftung Orgelklang eine Größe und eine ausgefeilte technische Ausstattung, wie man es in einer Dorfkirche nicht vermuten würde. Der Kantor der Gemeinde Harry Münsel schwärmt: „Sobald das noch stillgelegte Fernwerk wieder in Gebrauch ist, wird es der Orgel einen ganz besonderen Klang verleihen.“ Nicht nur Klang und Technik beeindrucken - auch die äußere Gestaltung des Instruments ist bemerkenswert: Das Design gibt den Übergang zwischen Jugend- und Bauhausstil wider, die Prospektpfeifen stehen darum weitgehend frei.

Erste Restaurierungen hat die Jehmlich-Orgel schon hinter sich. Unter anderem wurde 1965 die Disposition des Orgelwerks dem Zeitgeschmack entsprechend überarbeitet und neobarockisiert; damals wurde das Fernwerk stillgelegt. Wie der Bau war auch die Instandhaltung des Instruments stets von der Gemeinde selbst finanziert.

Auch heute sind die Wittgensdorfer stolz auf ihre außergewöhnliche Orgel, ist sie doch zentraler Bestandteil des lebendigen Gemeindelebens: „Wir verwenden sie in fast jedem Gottesdienst und manchmal gibt es kleine Orgelkonzerte“, sagt Münsel. Die notwendige Generalüberholung der Orgel ist nur mit Mühen zu finanzieren, doch auch heute halten die Wittgensdorfer zusammen, wenn es um den Erhalt dieses besonderen Instruments geht. „Wir haben mit Benefizkonzerten, Förderanträgen und Öffentlichkeitsarbeit einiges unternommen“, berichtet der Kantor. Die Fortschritte im Blick auf die Finanzierung und Sanierung werden auf der Internetseite der Gemeinde präsentiert (www.kirchgemeinde-wittgensdorf.de).

Inzwischen ist die Finanzierung des ersten Bauabschnitts gesichert. 7.500 von den dafür benötigten 50.000 Euro kommen von der Stiftung Orgelklang. Im September sollen die Arbeiten beginnen. Geplant sind die Reinigung der Orgel, die Aufarbeitung von Spieltisch, Ton- und Registertraktur, ein neues Gebläse, die Aufarbeitung des Gehäuses und der Jalousien und der Wiedereinbau und Spielbarmachung aller Register des 2. und 3. Manuals (Schwell- und Fernwerk) sowie dreier Pedalregister. In einem für 2012 geplanten abschließenden Bauabschnitt soll dann die Überarbeitung des 1. Manuals (Hauptwerk) und Pedals durchgeführt werden. Wenn alles klappt, kann die Gemeinde Pfingsten 2012 die Wiederweihe der sanierten Jehmlich-Orgel feiern.