In St. Martin sollen wieder alle Register gezogen werden können
Der Anfang an der „Orgel des Monats August“ in Schlieben ist gemacht
Eines Tages hielt Roland Register es nicht mehr aus: „Seine“ Orgel war seit Jahren verstummt. Kein einziger Ton mehr drang aus der schönen, mit vielen Ornamenten verzierten Orgel, die seit 1863 in die Stadtkirche St. Martin im brandenburgischen Schlieben gehört. Mitten in diese Stille hinein passierte es: Der kleine Registerknauf Roland verwandelte sich und wurde lebendig. Seitdem ist die fröhliche Figur mit dem runden Bauch und den drei Haaren auf dem nicht minder runden Kopf immer auf Achse und dabei, wenn es um die Orgel geht: Roland Register begeistert Schulkinder, die zu Besuch kommen, er überreicht Blumen bei Benefizkonzerten, ziert Dankesbriefe an Spenderinnen und Spender, die Geld für die Restaurierung der Orgel gegeben haben und informiert die Mitglieder der Gemeinde regelmäßig über den aktuellen Spendenstand.
„Die Figur ist unser Maskottchen, gewissermaßen das Gesicht der Orgelsanierung“, sagt der Schliebener Pfarrer Stephan Schönfeld. Im April trug die Arbeit von Roland Register, der tatkräftig von den 15 Mitgliedern des „Kirchen- und Orgelvereins Schlieben“ unterstützt wird, endlich erste Früchte: Die Orgel wurde ausgebaut und in die Werkstatt des Orgelbauers Voigt nach Bad Liebenwerda befördert. „Dort werden die Einzelteile nun Schritt für Schritt begutachtet, gereinigt, repariert oder ausgetauscht“, weiß Schönfeld. Eine Mammutaufgabe für die Mitarbeiter der Werkstatt: Der Holzwurm hat jahrelang ganze Arbeit geleistet. „Da bei der Erbauung viele Teile des Instruments nicht aus Kernholz gefertigt wurden, konnte der Schädling sich gut durch das vergleichsweise leichtere, eiweißhaltige Splintholz fressen.“ Einige zermürbte originale Teile wie die Windladen, die teilweise ersetzt werden müssen, hat die Werkstatt schon an die Gemeinde zurückgesendet – wunderbares Anschauungsmaterial, meint der Pfarrer: „Zum Tag des offenen Denkmals, der in diesem Jahr das Thema Holz hat, werden wir hier eine Ausstellung mit diesen Holzteilen beginnen.“
Erbaut wurde das von der Stiftung Orgelklang zur „Orgel des Monats August“ gewählte Instrument von Nicolaus Schrickel (1820 – 1893) im Zuge der Erneuerung der Innenausstattung der ursprünglich barocken Kirche. „Das Instrument erwies sich aber schon nach wenigen Jahren als in vielerlei Hinsicht ungenügend“, berichtet Stephan Schönfeld. Ausgerechnet der ebenfalls in Eilenburg ansässige Konkurrent des Meisters Schrickel, Conrad Geißler (1825 – 1897), wurde mit der Erneuerung der Orgel beauftragt. Geißler muss seine Arbeit gut gemacht haben: Bis heute ist das Instrument fast vollständig so erhalten, wie er es im Jahr 1879 umgestaltet hatte.
Verstummt ist die Orgel in Schlieben seit inzwischen fünfzehn Jahren; seit acht Jahren spart die Gemeinde, um das Instrument wieder instand setzen zu können. Mehr als 25.000 Euro sind im Laufe der Zeit zusammengekommen, durch Konzerte, ehrenamtlichen Kaffeeausschank im Pfarrgarten, durch Orgeltouren im Umland und nicht zuletzt durch das unermüdliche Wirken von Roland Register. Für den jetzt begonnenen ersten Bauabschnitt sind insgesamt 83.700 Euro veranschlagt. Dieser erste Schritt konnte auch dank der Stiftung Orgelklang unternommen werden, die 9.700 Euro beigesteuert hat.
Bis Weihnachten, so hofft Pfarrer Schönfeld, wird das erste von insgesamt 26 Registern soweit wiederhergestellt sein, dass es in der Kirche erklingen kann. „Das wird nur ein Schatten davon sein, was die Orgel eigentlich kann, aber es ist ein Anfang.“ Wie alle in der Gemeinde freut Schönfeld sich auf diesen besonderen Moment; er selbst hat die Orgel noch nie gehört. Doch das ist noch nicht das Ende vom Lied: Fünf weitere Bauabschnitte, meint der Pfarrer, werden bis 2015 nötig sein, um alle Register der Orgel wieder erklingen zu lassen. „Wir werden also noch eine Weile weiter Spenden sammeln müssen.“ Und vermutlich wird auch Roland Register sich erst dann zufrieden zurückverwandeln, wenn alle seine Geschwister Register wieder gezogen werden können.