Volle Töne für eine volle Kirche
Im thüringischen Allendorf steht die Restaurierung der Schulze-Orgel außer Frage
Die Puste ist ihr ausgegangen, der mächtigen Orgel. Eigentlich war das Instrument eigens in der Heilig-Kreuz-Kirche zu Allendorf (Thüringen) installiert worden, um den Gottesdiensten in der frisch vergrößerten Kirche zu einem – wie Ortspfarrer Thomas Volkmann es ausdrückt - „volleren, satten Sound“ zu verhelfen. Doch das ist mehr als 190 Jahre her, und zuletzt waren der Orgel nur noch schwache Töne zu entlocken gewesen. Dass sie, was durchaus ungewöhnlich ist, sogar zwei Blasebälge besitzt, nützte ihr schließlich auch nichts mehr: „Sowohl der obere, noch per Hand betriebene Blasebalg, als auch der untere, elektronische, sind in einem verheerenden Zustand“, sagt Thomas Volkmann.
Den Wind- und Druckverlust an der „Orgel des Monats September“ zu beheben, gehört daher zu den ersten Maßnahmen im Zuge der Sanierungsarbeiten, die im vergangenen November begonnen wurden. Daneben gibt es aber noch eine Reihe anderer Dringlichkeiten: die Rekonstruktion von Pfeifen und Registern etwa, die Sanierung des Spieltisches und die Erneuerung der kompletten Mechanik. Lang ist der „Wunschzettel“ der Gemeinde, wenn es um ihre Orgel geht - entsprechend viel Sorgfalt hat man auf die Auswahl der der Werkstatt verwendet, berichtet Pfarrer Volkmann: „Wir haben fünf Gutachten anfertigen lassen und uns die Werkstätten vor Ort angeschaut. Außerdem war uns wichtig, Orgeln zu begutachten, die vor einigen Jahren von diesen Werkstätten bearbeitet worden sind.“ Am Ende fiel die Wahl auf die Firma Eule in Bautzen; ein Großteil der der Allendorfer Orgel befindet sich schon in der Werkstatt.
Einen kleinen Schreck haben die Verantwortlichen im Zuge des Ausbaus der Orgel bekommen, erzählt der Pfarrer: „Der Zustand der Windladen war noch schrecklicher als vermutet“. Was auch bedeutet, dass die Sanierung insgesamt teurer wird. „Wir rechnen inzwischen mit insgesamt rund 151.000 Euro“. Schritt für Schritt wirbt die Gemeinde das Geld dafür ein. Größere Spenden kommen von Menschen, die sich dem Ort und der Kirche ihr Leben lang verbunden fühlen, und die ihre großzügigen Gaben zum Beispiel mit der Feier ihrer diamantenen Hochzeit oder ihres runden Geburtstags verbinden. „Das Rundschreiben an unsere Jubel-Konfirmanden hat uns ebenfalls viele Spenden beschert“. Auch bei der Stiftung Orgelklang ist der Antrag auf Unterstützung nicht auf taube Ohren gestoßen: Sie beteiligt sich mit 4000 Euro.
Dass die Restaurierung ihrer historischen Orgel notwendig ist, stand für die Gemeinde außer Frage: „Wir bauen hier nur alle 100 Jahre eine Orgel, und dann gehört sich ein solches Instrument auch ordentlich restauriert“, sagt Volkmann.Zumal das Allendorfer Exemplar nicht nur besonders imposant, und mit den maßvollen Verzierungen im Stil des Bauernklassizismus hübsch anzusehen ist, sondern auch noch von Johann Friedrich Schulze (1793 - 1858) aus Paulinzella geschaffen wurde, der im Laufe seines Lebens zu einem der berühmtesten Orgelbauer Europas avancierte. Das von ihm im Jahr 1820 erbaute Instrument diente Schulze zunächst als Vorführmodell: Es war sein erstes zweimanualiges Werk. Ein Jahr darauf fand die Orgel in der Heilig-Kreuz-Kirche ihre eigentliche Bestimmung. Sie ersetzte dort ein deutlich kleineres Instrument, das Schulzes Vater Johann Andreas erbaut hatte: Nachdem die Kirche nach 1816 abgerissen und dann neu aufgebaut und erweitert worden war, sollte auch eine neue Orgel mit einer der Größe der Kirche entsprechenden Klangfülle her. Teile der alten väterlichen Orgel hat Johann Friedrich offenbar für sein neues Werk verwendet: „Unter der Basslade sind Rechnungen aus dem Jahr 1779 verklebt – Papier war damals teuer und wurde selbstverständlich recyclet – die an Johann Andreas Schulze adressiert waren.“
Im Oktober nächsten Jahres, hofft Volkmann, wird die Schulze-Orgel mit ihrem alten, vollen Klang wieder aufspielen können. Und bis dahin? Hilft man sich mit einem Orgelpositiv der Firma Eule. Dankbar hat die Gemeinde diese Leihgabe angenommen, aber: „Für unsere große Kirche mit ihren 450 Plätzen ist das natürlich nicht immer stimmig“, schmunzelt Pfarrer Volkmann. Zum Glück gibt es noch den örtlichen Posaunenchor, der bereitsteht für Sonder-Einsätze. „Damit die großen Gottesdienste wie an Weihnachten doch festlicher klingen“.