Schulze-Orgel von 1827 in der Liebfrauenkirche Ratsenberg (Thüringen)
Schulze-Orgel von 1827 in der Liebfrauenkirche Ratsenberg (Thüringen)

Geist und Bankgeschäfte für die Sanierung der Schulze-Orgel

„Orgel des Monats Juli 2020“ in Rastenberg

Kennen Sie den Rastenberger Orgelbrand? Der Name lässt ahnen: Dieser Obstbrand hat es in sich - nicht nur seines Alkoholprozentwertes wegen: Wer ihn erwirbt, fördert die Sanierung der Schulze-Orgel in der Liebfrauenkirche Rastenberg im thüringischen Landkreis Sömmerda. „Der Schnaps ist eine richtige Marke geworden“, berichtet Pfarrer Andreas Simon. Und auch die anderen Aktionen, die sich die Gemeinde und der örtliche Förderverein haben einfallen lassen, laufen bestens, meint der Pfarrer. „Sehr sehr viele Paten“ sind für die rund 1800 Orgelpfeifen bereits gefunden, „und es werden immer mehr“.

Und dann ist da noch die „Offenbarung (1826)“. Was wird offenbart? Es ist ein höchst weltlich Ding, auch wenn es gleichzeitig von Geist durchdrungen ist – einem ähnlichen allerdings, wie ihn auch der Orgelbrand aufweist: Ein Fass mit Whiskey ruht in der Sakristei der Rastenberger Kirche. Angezapft werden soll es zum 200sten Weihe-Jubiläum der Kirche im Dezember 2026. Trotz oder gerade wegen der langen Wartezeit bis zum Jahr 2026 verkaufen sich die Anteilsscheine gut, berichtet Andreas Simon. 
 

Liebfrauenkirche Rastenberg

Liebfrauenkirche Rastenberg

Liebfrauenkirche Rastenberg

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Die neueste Idee der Spendensammler könnte mit dem Begriff „Bankgeschäfte“ bezeichnet werden; der Begriff ist so zutreffend wie er auf die falsche Fährte bringt: Gegen eine Spende für die Orgelsanierung abgegeben werden nämlich tatsächlich Kirchenbänke. Rund 60 Bänke haben die Rastenberger nach der Entwidmung einer Kirche in Nordrhein-Westfalen geerbt und schon etwa 30 davon weiterverkauft. „Jetzt stehen die Kirchenbänke überall im Ort und in der ganzen Region, zum Beispiel in einem Partykeller oder einem Wintergarten.“ Pfarrer Simon freut sich auch über die Symbolik dieser Bewegung „aus der Kirche heraus in den Ort hinein“.

Das Engagement ist fraglos groß in der Gemeinde, und das schon seit Jahren. „Der Name Rastenberg wird in der Region schon fast automatisch mit der Orgelsanierung verbunden.“ Eingebracht hat dieser vielfältige Einsatz viele Spenden – und dem Förderverein auch eine Nominierung für den Deutschen Engagementpreis im vergangenen Jahr. Sogar ein Pfadfinderstamm trägt das Instrument im Wappen – mehr Identifikation ist kaum möglich.

Und was macht die Orgel so besonders?

Das 1827 erbaute, frühromantische Instrument wurde nicht von irgendwem gefertigt, sondern von dem den deutschen wie englischen Orgelbau prägenden Meister Johann Friedrich Schulze. Mit der Übernahme durch ihn begann 1815 die Blütezeit der Orgelwerkstatt Schulze am Rande des Thüringischen Waldes, die er in 5. Generation führte, und die Aufträge aus ganz Deutschland, aber auch aus Russland und Amerika erhielt. Auch die Hausorgel der Familie Kennedy in Armley ist ein Schulze-Instrument. Doch Johann Friedrich baute die Orgel in Rastenberg nicht allein, sondern zusammen mit dem Weimarer Hoforganisten Johann Gottlob Töpfer. Der brillante Klang bezeugt die Güte dieser gelungenen Kooperation.

Nicht zuletzt kommt im Blick auf das historische Instrument auch das Auge auf seine Kosten, wurde der Prospekt doch von dem Erbauer der klassizistischen Kirche in architektonischer Einheit mit dem Innenraum gestaltet. „Es besteht eine Harmonie zwischen dem Prospekt und dem Kirchenraum, eine ästhetische Verbindung, die den Kirchenraum zu einem hell strahlenden, heiligen Raum werden lässt“, meint Pfarrer Simon. „In diese Ästhetik wird sich der romantische Klang der Orgel perfekt einfügen“.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, denn es müssen alle Pfeifen aufgearbeitet, die Klaviatur und die Spieltechnik restauriert werden. Auch Bälge und Windladen sind zu sanieren; anders als die Pfeifen werden diese Teile nicht in die Werkstatt verbracht, weil der Transport zu riskant ist und das Klima in der Kirche außerhalb nicht nachgeahmt werden kann. Etwa 120.000 Euro werden für den aktuellen Bauabschnitt benötigt, die Stiftung Orgelklang fördert das Projekt mit 4.000 Euro. Bisher gehen die Arbeiten planungsgemäß voran, versichert Pfarrer Andreas Simon. Spätestens am 5. September 2022, hofft er, wird das Instrument an seinem 195. Weihetag wieder in der Liebfrauenkirche erklingen.