„Der Stolz der Gemeinde“
In Neuenfelde wird eine Schnitger-Orgel restauriert
„Pilgerstätten der Orgelwelt“ seien diejenigen Kirchen, in denen eine noch erhaltene Orgel von Arp Schnitger zu finden ist. So heißt es auf einer Internetseite der St. Pankratius-Kirchengemeinde in Hamburg-Neuenfelde. Solches vorausgesetzt, ist die St. Pankratius-Kirche eine besondere „Pilgerstätte“: Sie beherbergt nicht nur die größte zweimanualige Orgel des berühmten Orgelbauers, sondern auch seine Grabstätte.
Arp Schnitger (1648 – 1719) stammte aus einer Tischler-Familie, deren lange handwerkliche Tradition schon der Familienname verdeutlicht, der sich aus dem neuhochdeutschen Wort für „Schnitzer“ herleitet. Der vermutlich jüngste Sohn der nahe Oldenburg lebenden Familie von Arp Schnitger sen. absolvierte nach der obligatorischen Tischlerlehre auch eine Lehre zum Orgelbauer. Seinen Ruhm begründete er mit der 1687 vollendeten Orgel in der Hamburger Nikolaikirche. Dieses Instrument galt lange Zeit als das größte seiner Art überhaupt, bis es im Jahr 1842 dem großen Brand von Hamburg zum Opfer fiel. Auf höchstem künstlerischen und handwerklichen Niveau fertigte Schnitger im Laufe seines Lebens mehr als hundert Instrumente; einige davon wurden sogar nach England, Russland, Spanien und Portugal gebracht. 1708 wurde Schnitger zum königlich preußischen Hoforgelbauer ernannt.
Schnitger-Orgel, St.-Pankratius-Kirche Hamburg
Schnitger-Orgel, St.-Pankratius-Kirche Hamburg
Schnitger-Orgel, St.-Pankratius-Kirche Hamburg
Schnitger-Orgel, St.-Pankratius-Kirche Hamburg
Schnitger-Orgel, St.-Pankratius-Kirche Hamburg
Schnitger-Orgel, St.-Pankratius-Kirche Hamburg
Vermutlich im Zuge von Orgelbauarbeiten kam Schnitger nach Neuenfelde, wo er seine erste Frau Gertrud Otte kennenlernte. Der Hof ihres Vaters, der nach der Heirat in Schnitgers Besitz überging, wurde in seinen späteren Lebensjahren zum „Orgelbauerhof“; nach seinem Tod begrub man ihn in der St- Pankratius-Kirche. Neben einer Gedenkplatte ist dort auch noch sein prächtiger, geschnitzter Kirchenstuhl zu finden – ebenso natürlich seine Orgel.
Das im Jahr 1688 geschaffene Instrument wird von der Stiftung Orgelklang als „Orgel des Monats November“ gewürdigt. Es ist in den zurückliegenden Jahrzehnten mehrfach umgebaut worden; die Maßnahmen – mal mit mehr, mal mit weniger großem Sachverstand vollzogen - entfernten das Klangbild der Orgel von seinem originalen Charakter. Der letzte Eingriff in das Innenleben des Instruments liegt etwa 30 Jahre zurück; inzwischen sind die Pfeifen instabil und können nicht mehr gestimmt werden. Viele Teile sind von Schimmel befallen; die Traktur muss ebenso restauriert werden wie das Gehäuse, das sich teilweise gesenkt hat und Risse aufweist.
Dieses Trauerspiel wollte die Gemeinde ihren Mitgliedern ebenso wenig länger zumuten wie den vielen Besuchern der Kirche – seien es explizite „Orgelpilger“ oder nicht: Das allen Umbaumaßnahmen zum Trotz weitgehend erhaltene Instrument soll künftig saniert und so umfassend wie möglich in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden. Viel Geld wird diese Entscheidung kosten, insgesamt geht man von 780.000 Euro aus. Die Stiftung Orgelklang fördert die Sanierung mit 10.000 Euro.
Ein „erstaunlich hoher“ Teil der benötigten Summe kommt aus der Gemeinde, sagt Pastorin Miriam Polnau. Gesammelt wird durch den örtlichen Förderverein bei regelmäßigen Orgelkonzerten und Orgelführungen, „aber auch bei Beerdigungen bitten Angehörige oft um Spenden für die Orgel statt um einen Kranz“. Nicht selten geben auch ältere Menschen, die keine Erben haben, größere Summen. „Das ist sehr berührend“, meint die Pastorin. Sie weiß: „Die Menschen hier sind stolz auf die besondere Orgel, sie wollen wissen, was wann damit passiert, und sie wollen sich daran eben auch beteiligen.“