Ein neues „Zuhause“ für 1485 Pfeifen
Die Orgel in der Barnstädter St. Wenzel-Kirche wird umfassend restauriert
In der St. Wenzel-Kirche wird in diesem Jahr kein Weihnachtsgottesdienst gefeiert. Die Barnstädter Kirche ist geschlossen, die Festgemeinde wird auf die benachbarte Kirche ausweichen müssen. Der Grund: Die Orgel von St. Wenzel – die „Orgel des Monats“ Dezember 2010 der Stiftung Orgelklang - ist zu großen Teilen abgebaut. Die Bestandteile des Instruments, die nicht zur Restaurierung in die Orgelbauwerkstatt nach Saalfeld gebracht wurden, sind auf den Emporen der Kirche gelagert.
Die prächtige, ornamentierte Barockorgel in Barnstädt (Sachsen-Anhalt) gehört zu den „regional-authentischen Denkmälern der mitteldeutschen Orgellandschaft“, befand im vergangenen Jahr der Orgelsachverständige der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. „Als typisches Instrument ihrer Zeit, das Zeugnis von dem Musikempfinden und –geschmack des 19. Jahrhunderts gibt“, sei die Orgel unbedingt zu erhalten. Das sieht auch Gert Schmidt so, der Vorsitzende des Fördervereins in Barnstädt. „Das Instrument hat einen sehr guten Klang, die Kirche eine hervorragende Akustik“, schwärmt er. „Wenn die Orgel wieder hergestellt ist, wird sie nicht nur im Gottesdienst, sondern auch zu vielen Konzerten verwendet werden können.“
Geschaffen in den Jahren 1750 bis 1754 von Johann Christof Mocker aus Roßleben, sollte die Barockorgel in St. Wenzel 1861 erstmals repariert werden. Die Reparatur, mit der der aus Querfurt stammende Wilhelm Hellermann betraut worden war, geriet zum umfangreichen Umbau: Das Instrument wurde auf drei Manuale, 25 Register und 1485 Pfeifen vergrößert. Die Arbeit, für die Hellermann 1457 Thaler, 27 Silbergroschen und 6 Pfennige erhielt, wird im Gutachten des Orgelsachverständigen einerseits als „grundsolide“ bezeichnet; Hellermann müsse damals große Anerkennung erhalten haben. Allerdings bestünden trotzdem Zweifel daran, ob der gute Handwerker überhaupt vom Fach war: „So haben alle seine Orgeln falsch berechnete mechanische Übersetzungen und spielen sich schwer und zäh.“ Auch die Windversorgung sei unzureichend. Zu allem Überfluss war man bei der letzten großen Reparatur des Instruments 1980 offenbar über das Ziel hinausgeschossen: Um den sehr aktiven Holzwurm unschädlich zu machen, wurden große Mengen giftigen Holzschutzmittels eingesetzt, das die gesamte Orgel bis zuletzt mit Kristallen bedeckt hatte. Eine Reparatur, so das ernüchternde Fazit des Gutachters, müsse sowohl Maßnahmen zur Dekontaminierung, wie auch zur Verbesserung der Spielbarkeit des Instruments vorsehen.
Diese Reparatur konnte im Sommer 2010 endlich begonnen werden. Die Stiftung Orgelklang fördert die Maßnahmen. Dass das Ende noch nicht ganz absehbar ist, liegt an einem kleinen „Zwischenfall“. „Beim Auseinandernehmen des Instruments hat man festgestellt, dass der Orgelprospekt teilweise übertüncht wurde, sich also nicht mehr im Originalzustand befand“, berichtet Gert Schmidt. Nun bemüht er sich auch um die nötigen Gelder für die Restaurierung des Prospekts. „Wenn das gelingt, wird mit dem Einbau der Pfeifen gewartet, bis die Restaurierung beendet ist, das wäre dann April oder Mai nächsten Jahres. Wenn es nicht gelingt, ist die Orgel schon etwas früher wieder bespielbar.“