Eines der wichtigsten klassisch-romantischen Klangdenkmale in Sachsen-Anhalt
In Seehausen steht die „Orgel des Monats Mai“
„Als ich vor 30 Jahren hierhergekommen bin, war das Hauptwerk nicht bespielbar. Wenn die Orgel bespielt wurde, hatte man deshalb immer das Gefühl, dass sie die riesige Kirche nicht ausfüllt. Aber nun ist das ganz anders. Zieht man heute alle Register, vibrieren auf einmal die ganzen Orgelbänke.“ Friedemann Nitsch, Kantor der St Petri-Kirche in Seehausen (Sachsen-Anhalt), ist begeistert von den ersten hörbaren Erfolgen der Restaurierung der „Orgel des Monats Mai“.
Das Instrument in der denkmalgeschützten spätgotischen Hallenkirche ist eines der wichtigsten klassisch-romantischen Klangdenkmale im Land. Erbaut wurde es 1867 von Friedrich Hermann Lütkemüller, einem bedeutenden märkischen Orgelbauer des 19. Jahrhunderts. Seit einigen Jahren wird die Orgel Stück für Stück in ihren Originalzustand zurückversetzt. Nun steht der dritte Schritt dieses ambitionierten Projekts an: Bis Ostern 2012 sollen die Arbeiten beendet sein. Die Stiftung Orgelklang unterstützt diesen entscheidenden Bauabschnitt mit 5.000 Euro.
Der Schöpfer des Instruments, Friedrich Herrmann Lütkemüller (1815 – 1897), hatte sich den Klangideen seiner Generation verschrieben und verfügte zudem über hervorragende technische Fähigkeiten, diese umzusetzen. So hatte er seine Profession bei den besten Orgelbauern Deutschlands erlernt; von 1838-1842 war er Mitarbeiter des weltberühmten Eberhard Friedrich Walcker in Ludwigsburg. Dort erlangte er meisterhaftes Können in der Kunst des Orgelbaus. In seiner eigenen Werkstatt befasste er sich fast ausschließlich mit dem Bau kleiner Orgeln, mit seinen wenigen großen Werken stieß er jedoch in sinfonische Klangdimensionen vor - die Seehausener Orgel ist eines dieser seltenen Instrumente.
Der herausragende Klang der Orgel in St. Petri war allerdings rund 60 Jahre lang nicht zu hören. Dies lag darin begründet, dass das Hauptwerk im Laufe der Zeit unbespielbar geworden war. Darüber hinaus hatte eine „Barockisierung“ des originalen Pfeifenwerks nach dem Zweiten Weltkrieg dessen ursprüngliche Klangarchitektur verfälscht. Die Restaurierung des Instruments war eine schwierige Aufgabe: Abgesehen von anderen schweren Schäden war nur noch die Hälfte des Pfeifenwerks vorhanden; zu allem Überfluss waren die vorhandenen Pfeifen im Zuge der „Barockisierung“ völlig unpassend angeordnet worden.
Doch die Restauration lohnt sich, denn die Lütkemüller-Orgel spielt in der Gemeinde mit Kirchen-, Kinder- und Gospelchor eine zentrale Rolle. Zumal sie kaum zu übersehen ist auf der eigens für sie errichteten Empore. Heutzutage finden in St Petri regelmäßig Orgelkonzerte mit namhaften Organisten statt – beispielsweise im Rahmen der Kirchenmusikreihe „Sommermusiken“. „Dabei zeigen sich alle immer wieder angetan von dem romantischen Register, der besonderen Wärme und dem Volumen des Klangs der Lütkemüller-Orgel“, weiß Kantor Nitsch.
Bevor im letzten Bauabschnitt die minderwertigen Zinkpfeifen im Prospekt durch originale Zinnpfeifen ersetzt werden und die Orgel so auch optisch in perfektem Glanz erstrahlt, steht nun die Herrichtung des vorletzten Bauabschnitts an, im Zuge dessen das dritte Manualwerk und die Pedalpfeifen der 16’- und 32’-Lage renoviert werden sollen. Wenn alles fertig ist, sind die insgesamt 44 Register der Lütkemüller-Orgel wieder bespielbar und die volle Klangfülle des Instruments ist wieder gegeben –wie sich diese anhört, darauf ist man gespannt. Nitsch: „Die Fertigstellung wollen wir dann mit einem besonderen Konzert würdig feiern."