Orgel in der Stadtkirche Pößneck

Werk dreier Herren

Die „Orgel des Monats März“ in Pößneck ist ein repräsentatives Instrument der Romantik

Die „Orgel des Monats März“ der Stiftung Orgelklang im thüringischen Pößneck hat nicht nur einen, sondern gleich drei Erbauer. Viele Meister verderben die Orgel, mag man erschrocken denken. Doch weit gefehlt: Das im Wesentlichen ungeplante Teamwork der Orgelbauer kam dem Instrument durchaus zugute.

Der erste Schöpfer war Richard Kreutzbach aus Borna. Lange Zeit führte er die größte Orgelbauwerkstatt Sachsens, in 35 Berufsjahren entstanden insgesamt 120 neue Orgeln. 1896 baute er das Instrument der Stadtkirche Pößneck mit 41 Registern auf. Kreutzbach war ein erfinderischer Geist: Schon 1877 hatte er sich an die Einführung von modernen Windverteilungssystemen in einer Orgel gewagt. Wie kein anderer probierte er immer wieder neue Systeme aus. Leider gelang es ihm nicht, eines davon zu vervollkommnen. Viele seiner Orgeln mussten daher bald umgebaut werden – das betraf auch das Instrument in Pößneck.

Überflügelt wurde Kreutzbach als Orgelbauer um 1890 von den Erbauern Nummer zwei und drei, den Gebrüdern Jehmlich aus Dresden, die mit der Errichtung der ersten, rein pneumatischen Orgel berühmt wurden. Sie bauten die Pößnecker Orgel 1926 grundlegend um, erweiterten sie klanglich auf 54 Register und wurden so zu den zweiten Namensgebern des Instruments.

Ihre beiden Entstehungsphasen machen die Kreuzbach-Jehmlich-Orgel zu einem außergewöhnlichen und repräsentativen Werk der Spätromantik. In dieser Zeit hatte man versucht, Orgeln zu schaffen, die den Klang und die Dynamik eines Symphonieorchesters nachahmen konnten. Die Jahre 1896 und 1926 umreißen recht gut Anfang und Ende dieser Epoche. Während sich das Kreutzbach’sche Pfeifenwerk durch einen frischen, kraftvollen Ton auszeichnete, standen bei den Gebrüdern Jehmlich vor allem Feinheit, dynamische Ausdifferenzierung und Farbigkeit der Intonation im Vordergrund. Eine wunderbare Ergänzung.

Bedeutsam ist die Pößnecker Orgel auch, weil sie – anders als die meisten ihrer Zeitgenossinnen – weitgehend unverändert erhalten ist. Sie gilt als eine der größten romantischen Orgeln Thüringens. Eine Überarbeitung des Instruments, bei der die Aufhellung ihres Klangs im barocken Sinn erreicht werden sollte, zeigte glücklicherweise kaum Erfolg. Großen Schaden erlitt die Orgel allerdings zwischen 1985 und 1996, als sie vom Chorraum auf die Westempore der Stadtkirche versetzt wurde. Die dabei vorgenommene Neuordnung erwies sich bald als „Sparlösung“. Schwerwiegendster Fehler war der Ersatz vieler pneumatischer Röhrchen durch ungeeignete Kunststoff-Schläuche. Gutachter entdeckten bei einer späteren Untersuchung sogar vereinzelt Benzinschläuche aus Trabant-Autos. „Der Aufbau der Orgel war aus heutiger Sicht konzeptlos“, bescheinigte Orgelsachverständige der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Stefan Feig, im vergangenen Jahr. Die Qualität der Schläuche habe sich so rapide verschlechtert, dass die Orgel heute kaum noch bespielbar sei.

Inzwischen ist die umfassende Restaurierung der Kreutzbach-Jehmlich-Orgel beschlossen. Im Herbst sollen die Arbeiten beginnen, die Stiftung Orgelklang fördert den auf knapp 140.000 Euro veranschlagten 1. Bauabschnitt mit 10.000 Euro. Ziel ist es, den Erbauungszustand von 1926 wieder herzustellen. „Zunächst wird das Instrument ausgebaut, weil das doch recht ungeordnete Innenleben einen neuen Aufbau benötigt“, sagt Gemeindekantor Hartmut Siebmanns. Insgesamt, erwartet er, wird drei bis vier Jahre an der Orgel zu arbeiten sein. Muss die Gemeinde so lange a capella singen? „Nein“, beschwichtigt Siebmanns, „das haben wir extra anders ausgehandelt: Schon zum Ende des ersten Bauabschnitts, also im nächsten Frühjahr, ist die Orgel im Hauptwerk wieder bespielbar. Länger darauf zu verzichten kommt nicht in Frage.“