Servatius, Schwarzpulver und die Orgel der Gebrüder Kleine
Im nordrhein-westfälischen Rönsahl bleibt Historisches bedeutsam
Vier Namen prägen die Geschichte des kleinen Ortes Rönsahl im Märkischen Kreis in Nordrhein-Westfalen: Da ist zunächst Servatius. Der frühchristliche Bischof von Tongern (Flan-dern) ist einer der drei Eisheiligen und soll den Einfall der Hunnen im Jahr 450 vorausgesagt haben. Er wurde zum Schutzpatron der Kirche des Ortes, der an der Kreuzung zweier Handelswege entstand und im Jahr 1399 erstmals urkundlich erwähnt wurde.
Neben Servatius gehört auch das so genannte Schwarzpulver zu Rönsahl. Der Mönch Berthold Schwarz 1353 hatte das Pulver als eine explosive Mischung bei einem seiner alchimistischen Versuche zur Goldherstellung zufällig entdeckt. Es folgten 300 Jahre Schießpulverindustrie in und um den Ort: Die große Nachfrage nach Schießpulver im Dreißigjährigen Krieg und die einsetzende Nutzung von Schwarzpulver im aufblühenden Bergbau nach Kriegsende begünstigten die wirtschaftliche Lage der Pulvermühlen.
Noch heute tonangebend sind die Namen Johann Christian und Johann Gerhard Kleine, denn die Brüder schufen im Jahr 1786 eine Orgel für die Ev. Servatiuskirche. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat die Gemeinde neben einem diakonischen auch einen musikalischen Schwerpunkt. Das Instrument – die „Orgel des Monats Dezember“ der Stiftung Orgelklang - gilt als musikalisches Kleinod und eine der ältesten spielbaren Orgeln im weiten Umkreis, sagt Martin Ahlhaus, der bis Ende Oktober Pfarrer in Rönsahl war und ein großer Anhänger des Instruments ist. „Sie ist eine der beiden überhaupt noch existierenden Orgeln der bekannten oberbergischen Orgelbauerfamilie Gebrüder Kleine.“ Entsprechend groß ist der Wunsch der Gemeinde, das Instrument zu erhalten.
Dafür ist einiges Engagement vonnöten, denn die spätbarocke Pfeifenorgel, die mit feinen Rokoko-Ornamenten verziert, und wesentlich für die Atmosphäre in der Kirche ist, hat im Laufe der Zeit mehrere Umbauten und Erweiterungen verkraften müssen. Andreas Pumpa, Orgelsachverständiger der Evangelischen Kirche von Westfalen, konstatiert schon 2007 in seinem Gutachten einen „sehr uneinheitlichen Charakter in Klang und Windversorgung“. „Es kann nicht verhehlt werden, dass sich die Windlade des (später hinzugefügten) zweiten Manuals wie ein Fremdkörper in einer völlig andersartigen Konzeption aus dem 18. Jahrhundert ausnimmt“, beklagt Pumpa. Ähnliches sei im Blick auf die Spielanlage und das Radialpedal festzustellen. „Der augenblickliche Zustand ist unbefriedigend und verleidet dem Organisten das Spiel“, so das Fazit des Experten.
Mithilfe der Stiftung Orgelklang, die 10.000 Euro zur Verfügung stellt, wird die Kleine-Orgel daher seit November vergangenen Jahres restauriert. Durch die Instandsetzung der historischen Pfeifenorgel, den Rückbau des zweiten Manuals, die Rekonstruktion der Keilbalganlage sowie die Restaurierung von Trakturen und Pfeifenwerk soll das Instrument möglichst nah an seinen Originalzustand herangeführt werden. 200.000 Euro sind dafür veranschlagt. Dass dieses Geld gut angelegt ist, davon konnten sich interessierte Gemeindemitglieder schon im Sommer überzeugen: „Wir haben eine kleine Gemeindereise in die Eifel unternommen und die dortige Firma, die unsere Orgel restauriert, besucht“, berichtet Ahlhaus. „Die Orgelbauer haben uns das in seine Einzelteile zerlegte Instrument gezeigt und anschaulich die einzelnen Schritte der Restaurierung erläutert.“
Bis zur Rückkehr des Instruments Ende kommenden Jahres behilft man sich in den Gottesdiensten mit einer kleinen „Truhenorgel“; über Kanzel und Altar gähnt bis dahin ein großes Loch. „Das ist das erste, was man sieht, wenn man die Kirche betritt“, sagt Ahlhaus und lacht: „Aber Ästhetik ist derzeit nicht das wichtigste Kriterium. Wir wollen, dass die Kleine-Orgel, die genauso zur Geschichte Rönsahls gehört wie Schwarzpulver und Servatius, auch in den kommenden Jahrhunderten ein Teil des Dorfes bleibt.“