Ein neues Gesicht für die Orgel in Bralitz
Die Prospektpfeifen der „Orgel des Monats März“ stehen im Fokus der Sanierung
„Wenn Sie hier in der Kirchenbank sitzen und Musik hören, haben Sie den Eindruck, Sie säßen in einem Dom“, sagt Gerhard Grusenick. Der Vorsitzende des Orgelfördervereins „Insel Neuenhagen“ spricht über die Evangelische Kirche im Brandenburgischen Bralitz, einem im Jahre 1890 erbauten, alles andere als Domesgröße besitzenden Kirchlein. Nicht die optische, sondern die akustische Ein-drücklichkeit ist es, die den Domvergleich legitimiert. Grund dafür ist die Gewölbedecke, die dem neugotischen Stil zu verdanken ist, der die kleine Kirche prägt. „Für eine Dorfkirche ist diese Akustik einmalig“ schwärmt Grusenick, „sie lädt einfach dazu ein, Musik zu machen.“
Kirche Bralitz
Kirche Bralitz
Kirche Bralitz
Kirche Bralitz
Kirche Bralitz
Kirche Bralitz
Kirche Bralitz
Kirche Bralitz
Kirche Bralitz
Diese Einladung wird angenommen: in den Gottesdiensten, vom örtlichen Posaunen- und vom Kirchenchor – nicht zuletzt von vielen Gastensembles und –chören, die sogar von Berlin nach Bralitz kommen. Fast immer mischt auch die Kirchenorgel mit. Bei den zuletzt gegebenen Konzerten hatte sie indes eine besondere Rolle: Schiefe Orgeltöne waren Programm. Natürlich nicht durchgängig, aber „dass ab und an ein Ton geklemmt hat oder unsauber war, das sollte schon gehört werden“, meint Grusenick. Denn die gleichzeitig mit der Kirche entstandene, also mit mehr als 120 Jahren hoch betagte Orgel „hatte ihre Grenzen erreicht“ und drohte unspielbar zu werden. Die vom Förderverein organisierten Konzerte sollten diesen Missstand offenlegen, und sie sollten Spenden einbringen für die Sanierung des Instruments, das die Stiftung Orgelklang als „Orgel des Monats März“ würdigt und mit 11.500 Euro unterstützen wird.
Restauriert werden soll das Instrument nicht allein, weil es zur originalen Ausstattung der kleinen Kirche gehört, die – so Grusenick – mit Altar und Kirchenbänken „aus einem Guss“ erbaut wurde, und seitdem treulich seinen Dienst getan hat. Zu Buche schlägt auch, dass die Orgel aus bestem Hause stammt: Wilhelm Sauer, einer der bedeutendsten deutschen Orgelbauer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hatte mit dem Instrument in Bralitz eine seiner letzten vollständig mechanisch funktionierenden Orgeln geschaffen. Das wiederum macht drittens den besonderen, volltönenden Klang aus. Und schließlich kommt der Umstand hinzu, dass das Instrument – anders als viele seiner Artgenossen - weitgehend original erhalten ist.
Um die Bralitzer Orgel wieder zu altem Glanz zu verhelfen, wird sie nicht in irgendeine Orgelwerk-statt, sondern in die Hände von Fachleuten der Erbauerfirma W. Sauer gegeben. Diese werden sich um die Reinigung und die technische Wiederherstellung des Instruments kümmern; „in vorderster Reihe“ der Aufmerksamkeit stehen aber im wahrsten Sinne des Wortes die 35 Prospektpfeifen. Die nämlich sind nicht mehr original; ihre Vorgängerinnen wurden 1917 zu Rüstungszwecken konfisziert. „Ersetzt wurden die silbern glänzenden Zinnpfeifen durch Pfeifen aus dem Innenraum der Orgel oder durch solche aus minderwertigem Zink“, sagt Grusenick.
Die Rekonstruktion der Prospektpfeifen – die größte ist 2,80 Meter lang - ist mit rund 8.600 Euro der höchste Kostenfaktor bei der insgesamt etwa 40.000 Euro teuren Sanierung. Der Förderverein sucht daher „Paten“ für die neue Front der Orgel. Mit Fragen wie „Möchten Sie etwas Wichtiges und Schönes tun, das an Sie erinnert? Etwas hinterlassen, das Sie und Ihre Kinder und Kindeskinder überlebt?“ haben Gerhard Grusenick und seine Mitstreiter schon viele Prospektpfeifenpaten gewonnen. „Von 35 fehlen uns nur noch acht“, sagt er stolz. Belohnt werden die Spender, indem sie ihren Namen auf die Pfeife eingravieren lassen können; auch eine „Patentafel“ wird in der Kirche aufgehängt werden, sobald sich die Sauer-Orgel wieder in aller Vollständigkeit an Ort und Stelle befindet. Mit ein bisschen Glück, hofft Grusenick, wird das Ende des Jahres der Fall sein.