Von Orgeltropfen und anderen Ideen
Für die Restaurierung der „Orgel des Monats Februar“ wird gemalt und getrunken
Viele gute Weine stammen aus Rheinhessen. Seit Spätherbst 2010 gibt es sogar einen, dessen Erwerb nicht nur Gaumenfreuden verspricht, sondern – später – auch einen regelrechten Ohrenschmaus: Der Erlös des „Offenheimer Orgeltropfen“ ist für die Sanierung der örtlichen Stumm-Orgel bestimmt. „Offenheimer Winzer haben uns drei verschiedene Weinsorten kostenfrei zur Verfügung gestellt, die wir als Orgelweine verkaufen können, “ berichtet Kantor Rainer Groß. Groß ist Vorsitzender des Förderkreises zur Restaurierung der Stumm-Orgel in der rund 350 Mitglieder zählenden Gemeinde Offenheim. Neben dem „Orgeltropfen“ hat der Verein im vergangenen Jahr auch ein Orgelsommerfest, eine Orgel-CD, eine Orgelarmbanduhr und eine Vernissage mit Orgelgemälden auf die Beine gestellt, die von kleinen Künstlerinnen und Künstlern der örtlichen Kindertagesstätte hergestellt wurden. „Die Resonanz war riesig.“
Das Engagement für das Instrument, die „Orgel des Monats der Stiftung Orgelklang“, ist verständlich. Nicht nur, dass das klassizistische Gehäuse aus Eichenholz mit seinen klaren und schwungvollen Formen den Kirchenraum in besonderer Weise ziert. Die Offenheimer Orgel stammt aus einer Werkstatt, deren Name mit denen von Silbermann und Schnittger durchaus vergleichbar ist. Die Orgelbaudynastie der Familie Stumm aus Rhauen-Sulzbach im Hunsrück wurde von Johann Michael Stumm (1683-1747) gegründet. Rund 300 Orgeln wurden in der Werkstatt der Familie in einer Schaffenszeit von insgesamt 200 Jahren erstellt. Das Instrument in Offenheim wurde wahrscheinlich von der dritten Generation unter Leitung von Friedrich Carl Stumm (1744 – 1823) gebaut. Da kein Bauvertrag erhalten ist, liegt das genaue Entstehungsjahr im Dunkeln. „Üblicherweise muss nach dem Bau einer Kirche zunächst für die Orgel erneut Geld angespart werden“, sagt Groß. „Da die Kirche im Jahr 1765 fertig gestellt war, gehen wir davon aus, dass das Instrument um 1800 entstanden ist.“
Trotz ihrer hohen musikalischen und handwerklichen Qualität ist die Offenheimer Stumm-Orgel in keinem guten Zustand. Zu Kriegszeiten waren einige der zwölf originalen Register ausgebaut worden, andere fielen dem sich wandelnden Zeitgeschmack zum Opfer, Reparaturen brachten weitere Verluste originaler Substanz mit sich. Ein erster Anlauf zur Restaurierung des Instruments im Jahr 1985 konnte offenbar aus finanziellen Gründen nicht vollendet werden. „Noch nicht alle Modifikationen an den Pfeifen“, so die Beobachtung von Thomas Wilhelm, dem Orgelsachverständigen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, waren damals rückgängig gemacht worden; dafür fehlten die Mittel.
Zwei Bauabschnitte sind für die umfassende Wiederherstellung der Orgel nach dem Stummschen Vorbild geplant: Zunächst wird die technische Anlage des Instruments instandgesetzt. Die Stiftung Orgelklang wird 10.000 der insgesamt benötigten 92.000 Euro beitragen. Im Anschluss sollen fehlende Register eingefügt und möglicherweise eine Keilbalganlage rekonstruiert werden. Für diesen zweiten Schritt, dessen Ende die Gemeinde für 2014 erhofft, sind 81.700 Euro veranschlagt.
Um die benötigten finanziellen Mittel dafür zusammenzubringen, wird weiteres Engagement nötig sein. Ganz Offenheim, so scheint es, zieht hier an einem Strang. Ganz Offenheim? Nein, sagt Rainer Groß: „Es bahnt sich auch eine wachsende Resonanz von außerhalb an.“