Orgel in St. Marien Kirchhain von 1920

Orgelbewegungen

Die erste „Orgel des Monats 2012“ erhält ihren romantischen Klang zurück

Die Orgelbewegung ist schuld. Zwar ist ihr ein großer Teil der historischen Aufarbeitung der Orgelgeschichte zu verdanken, doch oftmals sind ihre Vertreter weit über ihr Ziel hinaus geschossen. So auch in Kirchhain.

Die Idee einer Rückbesinnung auf die frühbarocke Orgel wurde in Deutschland in den 1930er Jahren aufgegriffen. Man beschäftigte sich zunehmend mit den in Vergessenheit geratenen barocken Klangidealen und Prinzipien des Orgelbaus; Instrumente mit romantischem Klangcharakter galten nun meist grundsätzlich als minderwertige „Fabrikorgeln“. Viele romantische Werke, deren Disposition nicht barock genug erschien, wurden in dieser Zeit zunehmend „barockisiert“.

Die 1920 von Arno Voigt erbaute Orgel der Kirche St. Marien im brandenburgischen Kirchhain ist ein prominentes Opfer dieser Bewegung: „Die Disposition versucht die Integration barocker Elemente in die beibehaltenen romantischen Klangfarben“, stellt der Orgelsachverständige Albrecht Bönisch fest. Weiter heißt es in seinem Gutachten: „So haben wir eine reiche Palette neobarocker Obertonregister und hoher Flöten vor uns, die auf der Basis romantischer Grundregister stehen. Dies führt dazu, dass weder romantische Klangfarben im der Größe der Orgel angemessenen Rahmen zur Verfügung stehen, noch die Barockregistrierungen wirklich überzeugend nach ihren Vorbildern klingen.“ Das Urteil des Sachverständigen ist eindeutig: Eine „Karikatur einer Barockorgel“ sei entstanden.

Doch nicht nur um diesen Missstand zu beenden und den ursprünglichen Klang der „Orgel des Monats Januar 2012“ der Stiftung Orgelklang wieder herzustellen, will die Gemeinde das Opus Nr. 68 von Arno Voigt in diesem Frühjahr restaurieren lassen. „Die Orgel ist ziemlich verstimmt und mehr schlecht als recht spielbar im Augenblick“, sagt Bernd Heinke vom Gemeindekirchenrat. Jahrzehntelanger Verschleiß und die Umbauten in den dreißiger, fünfziger, sechziger und achtziger Jahren haben auch die technische Anlage in Mitleidenschaft gezogen. Bis 2016, schätzt Heinke, werden die Sanierungsarbeiten insgesamt dauern. Aber der Aufwand lohnt sich, ist er sicher: „Das Instrument ist die größte erhaltene Orgel von Arno Voigt aus der Zeit der Romantik und in seiner Art in Brandenburg einzigartig“. Davon ist auch der Orgelsachverständige Bönisch überzeugt: In der Niederlausitz sei kein weiteres dreimanualiges Orgelwerk aus der hochromantischen Epoche erhalten, schreibt er. Und schussfolgert: „Für die Orgellandschaft der Niederlausitz hat die Kirchhainer Voigt-Orgel in ihrer Originalgestalt einen einmaligen Wert.“

In einem ersten Schritt steht die Erneuerung der technischen Anlage des Instruments in St. Marien im Mittelpunkt; die rund 90.000 Euro teure Maßnahme, die vor allem Winderzeugung, Spieltisch und Schwellwerk betrifft, fördert die Stiftung Orgelklang mit 11.000 Euro. „Dann wird die Orgel erst einmal wieder spielbar sein“, sagt Bernd Heinke. Das kommt den Gottesdiensten zugute, aber auch den dem musikalischen Nachwuchs. „In der Musikschule des Kreises gibt es einige talentierte Klavierspieler, die dann an einer richtigen Orgel üben können.“

Die Rekonstruktion der Disposition von 1920 soll in einem zweiten Bauabschnitt erfolgen. Für die Durchführung der gesamten Sanierung wird das Instrument übrigens in erfahrene Hände gegeben: Der Geschäftsführer der Orgelbaufirma, Dr. Markus Voigt, ist ein Nachfahre des Erbauers.