„Schwung in der Gemeinde“
„Orgel des Monats November 2020“ in Berge
„Es gibt kaum etwas Schlimmeres als ein Gottesdienst ohne Orgelklang“, sagt Olaf Sturm. Zehn Jahre lang, berichtet der Vorsitzende des Kirchenrats der Evangelischen Kirchengemeinde Berge (Sachsen-Anhalt), war die historische Orgel in der Dorfkirche nicht mehr gespielt worden. Zum Glück sind diese Zeiten vorbei: Seit Ende September ist das Instrument rundum saniert – auf Initiative von Olaf Sturm und mit Unterstützung der „Stiftung Orgelklang“, die die Restaurierung mit 2.500 Euro gefördert hat.
Eingeweiht wurde die instandgesetzte Orgel in Berge in festlichem Rahmen von niemandem Geringeren als vom Berliner Domkantor Tobias Brommann, auch er ein tatkräftiger Unterstützer des Sanierungsprojekts. „Er wird noch ein Benefiz-Konzert hier bei uns geben“, weiß Olaf Sturm, „aber die bisherigen Planungen haben wegen Corona nicht geklappt“. Gelungen ist das Spendensammeln für die Orgel trotzdem: „Gigantisch“ nennt der Gemeindekirchenratschef das Spendenaufkommen, insbesondere angesichts der geringen Einwohnerzahl von Berge, die bei gut 300 Personen liegt. „Viele viele Leute“ hätten dreistellige Beträge gegeben, die Kollekten bei der Einweihung rund 2000 Euro betragen.
Vor 135 Jahren wurde die kleine, aber offensichtlich sehr geschätzte Orgel in Berge von der Stendaler Firma Robert Voigt im Stil der Romantik erbaut. Eine Besonderheit dabei: Das Instrument wurde mit einer mechanischen Kegellade versehen. Solche gab es in der Geschichte des Orgelbaus nur ungefähr 15 Jahre lang. Die Kegellade gewährleistete eine stabilere Windversorgung als die bis dahin verwendete Schleiflade. Weil die damit ausgestatteten Instrumente aber schwieriger zu spielen waren, setzte sich dieser Typ nicht durch. Ab 1890 wurden Orgeln dann in der Regel pneumatisch betrieben.
Dorfkirche Berge/Altmark
Dorfkirche Berge/Altmark
Dorfkirche Berge/Altmark
Dorfkirche Berge/Altmark
Dorfkirche Berge/Altmark
Dorfkirche Berge/Altmark
Die Voigt-Orgel in Berge ist ganz überwiegend original erhalten. Dazu gehören (noch eine Seltenheit!) die Pfeifen im Prospekt, ebenso wie der Keilbalg, der für die Erzeugung des Spielwinds erforderlich ist. „Dazu haben wir sogar noch den alten Fußtritt gefunden, per Zufall auf dem Dachboden“, lacht Olaf Sturm. „Das bedeutet, dass man die Orgel auch ohne Strom betreiben könnte!“ Früher sei es oft Aufgabe von Konfirmanden gewesen, den Fußtritt zu betätigen. „Dass etwas so Komplexes wie eine Orgel ohne Strom funktioniert, kann sich heute kaum noch jemand vorstellen.“
Insgesamt hat die Wiederherstellung des Voigt-Instruments durch den Dingelstedter Orgelbauer Martin Lohdahl 24.000 Euro gekostet, „dazu kommen noch die Kosten für den ‚Orgelselbstspieler‘“, kündigt Olaf Sturm an. Weil es in Berge keinen Organisten gibt, hat die Gemeinde beschlossen, sich unabhängig von Menschenhand mit Orgelklang zu versorgen: „Mit dem Aufsatz, den man auf das Manual setzen kann, sind wir in der Lage, die Orgel per Fernbedienung zu steuern“, erklärt Sturm, „so können alle Lieder im Gesangbuch abgerufen werden“.
Eine Orgel, die von allein spielen kann und gleichzeitig auch ganz ohne Strom funktionieren würde – so etwas ist alles andere als alltäglich und weckt Interesse auch über die Dorfgrenzen hinaus. Die Gemeinde bietet Führungen an, an Wochenenden im Sommer ist die Kirche offen. Eine gute Entwicklung, die durch die Sanierung der Orgel noch verstärkt wird, meint Olaf Sturm. „So kommen wir immer mehr in Schwung!“