Rekonstruktion eines Meisterwerks in Weißenfels
„Orgel des Monats April 2020“ der Stiftung Orgelklang
Das sachsen-anhaltische Örtchen Weißenfels mag keine Weltbekanntheit sein. Was die Verbindung zur Musik angeht, so hat der rund 35.000 Einwohner zählende Ort indes Einiges vorzuweisen. Da ist zunächst der berühmte Sohn der Stadt, Heinrich Schütz (1585 - 1672), der in Weißenfels seine Kindheit verbrachte und sich später als Komponist und Kapellmeister am sächsischen Hof einen Namen machte.
Wer genauer hinschaut oder -hört, nimmt in Weißenfels noch einen zweiten bekannten Namen wahr: Friedrich Ladegast (1818 - 1905). Ein neben dem prominenten Heinrich-Schütz-Haus vergleichsweise kleines Museum erinnert an den großen Orgelbauer, der den überwiegenden Teil seines Lebens in der Saalestadt wirkte und dort auch begraben liegt. Allerdings erinnern außerdem gleich zwei Werke im Ort an ihren Erbauer. Die #ältere der beiden Orgeln, Baujahr 1864, befindet sich in der St. Marienkirche – normalerweise. Im Moment sind nur noch die großen Basspfeifen des Instruments mit dem hochromantischen Klang zu sehen, alle übrigen Teile befinden sich in der Werkstatt. „Die Pfeifen waren einfach zu schwer für den Transport“, erklärt Kai Schmidt, „die werden hier vor Ort saniert“.
St. Marien Weißenfels
St. Marien Weißenfels
St. Marien Weißenfels
St. Marien Weißenfels
St. Marien Weißenfels
Kai Schmidt ist der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, seit diesem Jahr im Ruhestand und begleitet die Instandsetzung der Orgel in St. Marien ehrenamtlich. „Da muss man aufpassen, dass man neben dem Ehrenamt noch andere Dinge schafft“, sagt er und schmunzelt. Warum ihm das Instrument so am Herzen liegt? „Ich mag Orgelmusik. Und ich habe als Kind sehr gern und oft in der Werkstatt gespielt, die einmal die Werkstatt von Ladegast war. Sie lag gleich gegenüber von unserem Haus. Daran habe ich schöne Erinnerungen“. Dass die Werkstatt Ende der 70er Jahre abgerissen wurde, bedauert Schmidt, umso wichtiger ist ihm der Erhalt der Orgel in St. Marien.
Ursprünglich hatte Friedrich Ladegast das Instrument als zweimanualiges Werk mit 19 Registern entworfen. Nachdem auf sein Anraten hin die zweite Empore in St. Marien entfernt und damit die Akustik in der Kirche verbessert wurde, konnte der Orgelbauer sein Vorhaben erweitern. Die daraufhin mit drei Manualen und 41 Registern ausgestattete Orgel gilt als sein Meisterwerk und eines der bedeutendsten Instrumente der Romantik. Ladegast selbst soll – ebenso wie seine Frau – regelmäßig darauf gespielt haben. Im Laufe ihrer inzwischen 156 Lebensjahre ist die Orgel mehrfach umgebaut und dem jeweiligen Zeitgeschmack angepasst worden. Das hat ihr nicht gutgetan; jetzt soll sie „baulich und klanglich“ so überarbeitet werden, dass sie dem Original wieder entspricht.
„Viele Jahre schon reden wir über die Orgel“, erinnert sich der Gemeindekirchenratsvorsitzende. Ende 2018 konnte schließlich mit der Restaurierung begonnen werden. „Die Windladen sind fertig, nun sind die Pfeifen an der Reihe. Alte Pfeifen werden erneuert, andere wieder zurückgebaut.“ Wenn alle Arbeiten, die das Innere der Orgel betreffen, beendet sind, soll auch das neogotische Kiefernholz-Gehäuse noch überarbeitet werden. Für das Vorhaben veranschlagt sind insgesamt 470.000 Euro, die Stiftung Orgelklang fördert die Maßnahmen, eine Projektspende inklusive, mit 9.000 Euro. „Überrascht und dankbar“ ist Kai Schmidt auch im Blick auf die Unterstützung in der Gemeinde. Ein Verein wurde gegründet, Spenden kamen durch Konzerte und Gaben in den Opferstock in der Kirche zusammen. „Über die Jahre konnten so rund 60.000 Euro gesammelt werden!“
Eigentlich hätte das Projekt in diesem Jahr zu Weihnachten beendet werden sollen. Aber natürlich läuft auch in Weißenfels in Krisenzeiten nicht alles rund. Nun hofft man, den Ostergottesdienst 2021 in der Kirche und mit Klängen der neuen alten Orgel besonders feierlich begehen zu können.