Werk eines großen Meisters seiner Zeit
„Orgel des Monats September 2024“ in Kitzen
Der preußische König dekorierte ihn mit den Kronenorden, der Herzog von Anhalt ernannte ihn zum Hoforgelbaumeister: Wilhelm Rühlmann (1842 – 1922) war zu seiner Zeit zweifellos eine Berühmtheit. Und der Orgelbauer, der seine Werkstatt im rund 20 Kilometer nordöstlich von Halle gelegenen Zörbig führte, begeisterte auch die Fachwelt. Sein Lehrmeister war der bis heute noch bekanntere Friedrich Ladegast. Er soll das herausragende Talent des Schülers erkannt und gefördert, und es, so heißt es jedenfalls im Nachruf auf Rühlmann am 1. März 1922 in der Zeitschrift für Instrumentenbau, „ohne Bitterkeit“ hingenommen haben, „daß der Schüler schließlich den Meister überflügelte“.
Wilhelm Rühlmanns Anfänge in der von ihm gewählten Profession müssen indes alles andere als hoffnungsvoll gewesen sein. Zwar war auch der Vater Orgelbauer, doch soll dieser in 24 Berufsjahren ganze sechs Orgeln zuwege gebracht haben. Das hätte Wilhelm entmutigen können, hat es aber nicht. Kaum ist dieser Umstand poetischer auszudrücken als im Nachruf: „Die Liebe des Sohnes zu der hohen Kunst besiegte alle Bedenken“. Trotz bestem Zeugnis und Ladegastscher Empfehlungsschreiben folgten für den jungen Orgelbauer nach der Übernahme der väterlichen Werkstatt 1866 einige „Jahre des Harrens“. Für Aufsehen sorgte schließlich eine Orgel, die Rühlmann im Jahr 1881 zur Industrie- und Gewerbeausstellung in Halle senden ließ und die dort mit einer goldenen Medaille ausgezeichnet wurde. Dann nahm der Erfolg seinen Lauf, und zwar in Serie: Mehr als 300 Orgeln werden dem talentierten Meister zugeschrieben. (Zwischendurch führte er als einer der ersten deutschen Orgelbauer die Röhrenpneumatik ein.) „Aber opus- und Registerzahlen blenden den wahren Kenner nicht; der sieht vielmehr auf den inneren Wert und wird ihn zu seiner Freude gerade in Rühlmann`s Werken finden“, rühmt die Zeitschrift für Instrumentenbau. Und hebt die „Güte des Materials“, die „liebevolle Arbeit“ und die „vornehme Tongebung“ hervor. Alle seine Orgeln hätten „einen wundervoll satten und feierlichen Klang“.
Kreuzkirche St. Nikolai Pegau Kitzen
Kreuzkirche St. Nikolai Pegau Kitzen
Kreuzkirche St. Nikolai Pegau Kitzen
Kreuzkirche St. Nikolai Pegau Kitzen
Kreuzkirche St. Nikolai Pegau Kitzen
Dieser Lobgesang wird sicherlich auch auf das Werk mit der Nummer 236 zutreffen. Die Orgel in der Kreuzkirche Sankt Nikolai im sächsischen Kitzen ist derzeit allerdings nicht zu hören; sie muss dringend saniert werden. Rühlmann schuf sie im Jahr 1902. Nachdem sie zunächst in der Garnisonkirche in Halle stand, wurde sie 1927 erst nach Erfurt, und dann im Jahr 1937 nach Kitzen umgesetzt. Diese offenbar selbstverständliche „Wiederverwertung“ des Instruments spricht für seine Güte, ebenso wie der heutige Einsatz der Gemeinde für ihre Orgel. 56 Mitglieder hat der Förderverein der Kreuzkirche Hohenlohe-Kitzen (zur Einordnung: Zur Kirchengemeinde gehören etwa 300 Personen), der die Restaurierung des Rühlmann-Instruments unterstützt. Es werden Orgelpfeifen-Patenschaften angeboten und immer wieder besondere Veranstaltungen – wie zum Beispiel ein Spendenlauf zu Himmelfahrt –, deren Erlöse der Orgel zugute kommen. Die von der Stiftung Orgelklang für ihre „Orgel des Monats September 2024“ bewilligten Mittel in Höhe von 6.000 Euro beinhalten eine Projektspende des Vereins. Insgesamt geht man von einem Finanzbedarf in Höhe von mehr als 73.000 Euro aus.
Einiges ist zu tun an der weitgehend original erhaltenen Orgel: Sie muss von Grund auf gereinigt und gegen den Holzwurm immunisiert werden. Außerdem sind die Registertraktur, die Windanlage und das Pfeifenwerk zu restaurieren. Danach soll das Instrument, das der Instandsetzung der Kirche wegen im Augenblick noch eingehaust, also in Sicherheit ist, wieder an seinen Platz auf der Westempore zurückkehren. Schon jetzt plant der Förderverein Konzerte mit der ertüchtigten Orgel; dafür werden zum Beispiel der Organist des Leipziger Gewandhauses eingeladen oder Mitglieder des Leipziger Thomanerchores. Man darf gespannt sein auf den neuen, „feierlichen Klang“ in Kitzen.