„Die Arbeit hat sich gelohnt!“
„Orgel des Monats Oktober 2024“ in Ober-Ofleiden
Manche Geschichte ist so kurios, dass sie fast wie ausgedacht klingt. Zum Beispiel die der Orgel in der Kirche St. Martin im hessischen Ober-Ofleiden. Einst ausgemustert, durch eine jüngere ersetzt und vergessen, feierte sie vor wenigen Wochen ihr großes Comeback. Ihre Finger im Spiel hatten: der Zufall, engagierte Gemeindemitglieder und natürlich auch die Stiftung Orgelklang.
Rund 100 Jahre, nachdem es auf der Empore der Kirche treue Dienste geleistet hatte, begann es in den 1970er Jahren ungemütlich zu werden für das historische Instrument: Der Holzwurm leistete ganze Arbeit, die Mechanik wurde nachhaltig geschädigt. Eine Reparatur der „Königin“ empfand der Kirchenvorstand als zu teuer und entschied sich für eine neue, kleinere Orgel. Immerhin: Das Kleid der alten „Königin“, der aus dem Jahr 1873 stammende Prospekt, wurde ordentlich auf dem Dachboden der Kirche eingelagert, zusammen mit den dazugehörigen Kastenbälgen. Und dort dann erst einmal vergessen.
Nun hätte – frei nach dem Motto: „Neue Orgeln klingen gut“ – die Geschichte hier ein Ende finden können. Aber die moderne Orgel in St. Martin enttäuschte. Weder optisch noch klanglich passte es in den Kirchenraum. Diese Einsicht allein hätte vielleicht noch nicht genügt, aber nun kam der Zufall zu seinem Auftritt: Die vergessenen Teile der Vorgänger- Orgel wurde im Jahr 2020 auf dem Dachboden wiederentdeckt. Und noch mehr des Glücks kam hinzu, und zwar in Gestalt eines haargenau passenden Innenlebens für den historischen Prospekt.
Dieses Orgelwerk, das sich im Orgellager der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gefunden hatte, stammt aus dem Jahr 1877 und der Werkstatt des seinerzeit in Hessen weithin bekannten Hoforgelbauers Georg Rothermel. Musikalisch und baulich entspricht es weitgehend demjenigen, das in Ober-Ofleiden in den Siebzigern entsorgt worden war. Und mehr noch: Rothermel soll schon 1873 ebenfalls ein Angebot in Ober-Ofleiden abgegeben haben. Wahrscheinlich hätte er also genau diese Orgel dort auch eingebaut, wenn er den Zuschlag bekommen hätte. Klingt, als sollte in St. Martin endlich zusammenfinden, was zusammengehört.
St. Martin Homberg
St. Martin Homberg
St. Martin Homberg
St. Martin Homberg
Bevor es so weit kommen konnte, kehrte zunächst einmal wieder der kühle Wind der Sachlichkeit ein, denn für die Sanierung und die Verbindung von Orgelwerk und Gehäuse musste Geld her. Dass die Summe in Höhe von 230.000 Euro zusammenkam, ist vielen Unterstützern zu verdanken, zum Beispiel dem Deutschen Bundestag. Wichtig waren auch die vielen charmanten kleinen Spendeninitiativen der Gemeinde, berichtet Pfarrer Alexander Janka. Das Engagement der Gemeinde habe sich besonders im Zusammenhang mit einer Aktion unter dem Motto „Viele schaffen mehr“ mit der VR-Bank Hessenland gelohnt: Jeder gespendete Euro wurde vom Geldinstitut verdoppelt. Die Stiftung Orgelklang beteiligte sich mit 3.000 Euro.
Dank dieser versammelten Anstrengungen konnten Anfang des Jahres in der Kirche und in den Werkstätten der Restauratoren tatsächlich die Arbeiten beginnen: Der Prospekt musste ergänzt und farblich neu gefasst werden; das alte Orgelwerk instandgesetzt. Zum Abschluss wurden die 650 Orgelpfeifen restauriert und eingesetzt. Und dann endlich war er da, der große Tag, das große Comeback eigentlich zweier historischer Orgeln: Am 22. September gab es einen Gottesdienst mit anschließendem Empfang – und mit jeder Menge Teilnehmern, berichtet der Pfarrer. An der „neuen alten“ Orgel spielte niemand Geringeres als der Orgelsachverständige der Landeskirche. „Er hat dem Instrument Facetten entlockt, es war die reine Freude“, schwärmt Alexander Janka. Der Unterschied zum vorherigen Instrument sei auch für Laien sofort zu hören gewesen. „Die ganze Arbeit, die vielen Umwege – es hat sich alles gelohnt. Das war für uns alle ein sehr feierlicher Moment.“