Neuer Wind für vollen Klang
„Orgel des Monats Mai 2022“ in Meißenheim
Sie gehört zu den 100 bedeutendsten Orgeln der Welt. „Das jedenfalls sagen ausgesprochene Kenner“, sagt Pfarrer Heinz Adler. Gemeint ist das historische Instrument auf der Empore der Trinitatiskirche im badischen Meißenheim. Laut Adler handelt es sich um „die einzige Silbermann-Orgel rechtsrheinisch in Deutschland, die noch auf dem Platz steht, für den sie geschaffen wurde“. Aber das ist längst nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal der „Orgel des Monats Mai 2022“, die 1776 in der Straßburger Werkstatt von Johann Andreas Silbermann gefertigt wurde. Da ist zum Beispiel die Geschichte rund um ihre Entstehung: Silbermann – ein Neffe des berühmten sächsischen Orgelbauers Gottfried Silbermann – soll sehr wählerisch gewesen sein. Nicht jede Kirche, so wird kolportiert, habe er für ein Instrument aus seiner Werkstatt für würdig befunden. „In Meißenheim aber hat er der Legende zufolge gleich beim Betreten der Kirche mit dem Gehstock auf den Boden geklopft und gesagt, er baut!“, berichtet der Pfarrer.
Silbermann baute. Da er dies für eine damals neue barocke Kirche tat, schuf er eine seltene stilistische Einheit zwischen Raum und Instrument. 1800 Gulden erhielt er für sein Werk, das er mit einem Manual und 13 Registern als reine Begleitorgel für den Gemeindegesang konzipiert hatte. An diesem Werk sollten im Laufe der Jahre zahlreiche Organisten Freude haben, darunter einer, dessen Name noch heute einen großen Klang hat: Albert Schweitzer. Von Vielen wird der deutsch-französische Pazifist eher mit Disziplinen wie Philosophie, Theologie oder Medizin in Verbindung gebracht. Tatsächlich war er auch Musikwissenschaftler und leidenschaftlicher Organist. „Als solcher hat Schweitzer nachweislich mehrfach auf dem Instrument in Meißenheim gespielt.“
Trinitatiskirche Meissenheim
Trinitatiskirche Meissenheim
Trinitatiskirche Meissenheim
Trinitatiskirche Meissenheim
Trinitatiskirche Meissenheim
Herausragend ist der bis heute vorhandene originale Bestand der Silbermann-Orgel, der rund zwei Drittel der Pfeifen, sowie Gehäuse und Windladen betrifft. Und ein Weiteres ist besonders: Kurz vor seinem 200. Geburtstag bekam das Instrument Zuwachs. Dem damaligen Orgelmusikgeschmack entsprechend, fügte die Straßburger Firma Mühleisen 1962 ein zweites, qualitativ hervorragendes Manual hinzu. „Auch dieses ist inzwischen von zeitgeschichtlicher Bedeutung“, weiß Heinz Adler.
Die Tage der regelmäßig gepflegten Silbermann-Orgel sind keinesfalls gezählt. Trotzdem wird sie ab diesem Sommer eine Schaffenspause einlegen, damit sie gereinigt und restauriert werden kann. Denn: Allmählich geht der Königin der Instrumente die Luft aus: Der im 19. Jahrhundert eingebaute Blasebalg kann sein enormes Volumen nicht richtig ausschöpfen. Wenn die Orgel mit vielen Registern gespielt wird und viel Luft benötigt, gibt es keinen konstanten Druck. „Das ist dann leider zu hören“. Daher soll eine Balganlage nach historischem barockem Vorbild neu hergestellt und in das Instrument eingebaut werden.
Gut 330.000 Euro werden nötig sein, um der Königin wieder zum vollen Klang zu verhelfen. Nicht nur dieser Klang, auch die Mechanik und das Gehäuse werden nach Silbermannschem Vorbild rekonstruiert. Die Stiftung Orgelklang fördert das Projekt mit 5.000 Euro. Die Gemeinde selbst muss rund 140.000 Euro aufbringen. Eine Musikreihe, ein Gemeindefest, Pfeifenpatenschaften – Heinz Adler ist zuversichtlich, dass die benötigte Spendensumme erreicht wird. Als Anreiz für besondere Großzügigkeit sollen die Namen der wichtigsten Spenderinnen und Spender auf einer Messingplatte an der Empore zu lesen sein.
Auch wenn die Meißenheimer natürlich schon jetzt für ihre Orgel spenden könnten, tun das bislang nur wenige. „Ich werde oft gefragt, wann es endlich losgeht“, berichtet Heinz Adler. Er ist sicher: „Sobald die Sanierung begonnen hat und zu sehen ist, dass die Prospektpfeifen fehlen, werden auch die Spenden kommen“.