Instrument mit I-Tüpfelchen
„Orgel des Monats Juli 2019“ in Großgartach
Eigentlich gibt es sie nur noch im Museum zu besichtigen. In der Großgartacher Lorenzkirche (Baden-Württemberg) aber ist die Organola noch in Aktion zu bestaunen, als kleiner Anbau an der Orgel auf der Westempore der Kirche. Schon ohne die Organola ist das Instrument, opus 1782 aus der berühmten Werkstatt von Eberhard Friedrich Walcker, ein Hingucker: 1913 von Oskar Walcker mit Mitteln eines Großgartacher Fabrikanten erbaut, erhielt das romantische Instrument einen von dem Architekten Martin Elsaesser entworfenen Prospekt. Die Orgelpfeifen sind mit abstrakten Mustern bemalt und werden von kleinen Putten an den Seiten optisch konterkariert. Mit ihrer Gestaltung passt sich die Orgel zeitlich und stilistisch an den ebenfalls von Elsaesser entworfenen Kirchenraum an. Hinzu kommt, dass die „Orgel des Monats Juli 2019“ weitgehend original erhalten ist. Auch 1917, als die meisten anderen Kirchenorgeln ihrer zinnernen Prospektpfeifen zu Kriegszwecken beraubt wurden, blieb das Walcker-Werk verschont: Es hatte von Anfang an nur Zinkpfeifen. Oskar Walcker selbst schrieb, dass sein Werk „wohl allen Bedingungen entspricht, die man an ein modernes Werk, welches sowohl Kirchen- als auch Konzertzwecken dient, stellen kann“.
Das I-Tüpfelchen, dass die Orgel zu einem „Kulturdenkmal von herausragendem Wert“ macht, wie es in einem Gutachten heißt, ist die Organola. Auf diesen pneumatischen Selbstspielapparat hatte Oskar Walcker 1904 das Patent erworben. Er baute es meist in Salonorgeln ein, manchmal aber auch in Kircheninstrumenten. Die Organola ist im Spieltisch der Orgel eingebaut und funktioniert wie jede Drehorgel: auf eine Walze, die sich dreht, werden Notenrollen gespannt, ein Balg bläst Luft durch die Löcher im Papier und diese betätigt kleine Filzstößel, die die Tasten drücken. Zwölf Exemplare der seltenen Notenrollen besitzt die Gemeinde, darunter beispielsweise das „Hallelujah“ aus Händels „Messias“ und der Klassiker „Ein feste Burg ist unser Gott“ aus der Feder von Martin Luther.
Walcker-Orgel in der Lorenzkirche Großgartach
Walcker-Orgel in der Lorenzkirche Großgartach
Walcker-Orgel in der Lorenzkirche Großgartach
Walcker-Orgel in der Lorenzkirche Großgartach
Walcker-Orgel in der Lorenzkirche Großgartach
Walcker-Orgel in der Lorenzkirche Großgartach
Ursprünglich wohl dafür gedacht, dass auch Nicht-Organisten im Gottesdienst für Orgelklänge sorgen können, werden die Notenrollen in der Lorenzkirche heute nur selten verwendet. In den letzten Jahren sind sie allerdings häufiger zu hören: zu Demonstrationszwecken nämlich. „Wir wollen zeigen, was wir haben“, sagt Brigitte Eckstein, die Vorsitzende des Kirchengemeinderates. Denn: Die Walcker-Orgel muss saniert werden, Konzerte mit Organola-Einsatz sollen die Bereitschaft erhöhen, dafür zu spenden. Brigitte Eckstein ist selbst Organistin; sie weiß um die Empfindlichkeiten des Instruments, das sie liebevoll „eine kleine Mimose“ nennt: „Im Wesentlichen müssen die Ventile erneuert werden, die Belederung der Ventildeckel ist sehr marode. Insgesamt müssen wir die Orgel reinigen lassen, auch die Organola läuft nicht mehr rund und muss überholt werden.“ Gut 96.000 Euro sind für die Abarbeitung dieser Sanierungsliste veranschlagt. Die Stiftung Orgelklang stellt 5.000 Euro zur Verfügung.
Aber auch die Gemeindemitglieder sind hoch aktiv. Benefizkonzerte mit Organola-Tönen gibt es seit rund drei Jahren, außerdem werden Waffeln beim Kirchweihfest verkauft, Mittagessen im Gemeindehaus angeboten, „wir machen alles, was man so macht, um Spenden zu bekommen“, sagt Brigitte Eckstein. Die Sanierung der Orgel zu unterstützen, ist auch ein Verwendungsvorschlag, den man bei der Abgabe des jährlichen Gemeindebeitrags ankreuzen kann. Die Gemeinderatsvorsitzende weiß: „Hier ist die Spendenbereitschaft deutlich höher als bei den anderen vorgeschlagenen Projekten.“ 40.000 Euro haben die Großgartacher schon zusammen; der Beginn der Restaurierung ihrer Orgel ist absehbar.