„Herztöne“ für ein angeschlagenes Instrument
„Orgel des Monats Februar 2024“ in Rethmar
Haben Sie schon einmal einen „Schräge-Töne-Gottesdienst“ besucht? Gibt es in der St. Katharinen-Kirche in Rethmar nahe Hannover. Was nach Comedy-Predigt oder Probe-Auftritt der Blockflöten-Frischlinge klingt, bezieht sich dort auf die Königin der Instrumente. In Rethmar gehören diese Gottesdienste paradoxerweise zum guten Ton: In ihnen soll deutlich hörbar sein, dass die Orgel in St. Katharinen Hilfe braucht. Sie ist zwar noch spielbar, „doch die lauten Nebengeräusche beim Anschlag sind nicht zu überhören und manche Töne haken“, sagt Pastor Sebastian Hohensee.
Schräge Töne eben, und Grund genug für die Gemeinde, sich des Wertes ihrer Orgel bewusst zu werden und sich für ihre Sanierung einzusetzen. „Das Instrument hat Schimmel angesetzt, einige Pfeifen sind nicht spielbar, die Orgel muss komplett auseinandergenommen werden“, sagt Anke Kappler, Fundraiserin im Kirchenkreis Burgdorf. Sie tut dies öffentlichkeitswirksam vor laufender Kamera: Die Landeskirche hat der Gemeinde einen kleinen Imagefilm für die Spendenkampagne „Aktion Herztöne“ finanziert. Darin wird auch der Name der Aktion erklärt – eigentlich logisch: Die Orgel ist „das hörbare Herz“ von St. Katharinen.
Dieses Herz ist inzwischen mehr als 140 Jahre alt. 1883 wurde das Instrument mit dem schlichten, grüngrauen Prospekt als Opus 215 von der Firma Furtwängler & Hammer erbaut. Die Orgel hat ein romantisches Klangbild und steht als „gut erhaltenes Zeugnis der Orgelbaukunst der Jahrhundertwende“ unter Denkmalschutz. Umbauten in den fünfziger Jahren zielten darauf, eine hellere, neobarocke Klangfarbe zu erzeugen, dabei wurden viele Pfeifen zurückgeschnitten oder umgestellt. Im Zuge der Sanierung soll die ursprüngliche Disposition rekonstruiert werden. Etwa 42.000 Euro werden die Maßnahmen kosten, berichtet Pastor Hohensee. Die Stiftung Orgelklang will 3.000 Euro für ihre „Orgel des Monats Februar 2024“ zur Verfügung stellen.
Noch hat die Sanierung nicht begonnen, und doch bewegt sie die Gemeinde schon jetzt. „Für mich ist eine solche Sanierung auch immer Teil von Gemeindeaufbau“, sagt die Fundraiserin Kappler. Verständlich: Viele Ehrenamtliche engagieren sich in dem Projekt, eine Arbeitsgruppe „Fundraising“ hat sich zusammengefunden. Adventsnachmittage, Benefizkonzerte, Orgelpatenschaften – es gibt kaum ein Event in Rethmar, das nicht mit Spenden für das Instrument genutzt wird. Ehrensache, dass das Musical der „Mini-Konfis“ namens „Der erste Ton“ sich ebenfalls um das Thema Orgel dreht.
So viel Einsatz – woher kommt der allgemeine Enthusiasmus in Rethmar? Wieso öffnen so viele Menschen bereitwillig ihr Portemonnaie, wenn es um die Orgel im Dorf geht? Ganz offensichtlich wecken die „Herztöne“ ein großes Gemeinschaftsgefühl. Aber es ist nicht nur das. Im Imagefilm kommt ein anderer wichtiger Grund zur Sprache: Viele Menschen seien bereit zu spenden, „weil sie das Gefühl haben, sie investieren in etwas Langfristiges, etwas, das Bestand hat und schon vor ihnen war und nach ihnen bleiben wird“.