Romantische Klänge für Thüringen
„Orgel des Monats Dezember 2022“ in Sülzdorf
Das Publikum lauschte ergriffen. „Ich war wirklich sehr berührt“, berichtet eine Zuhörerin nach dem Gottesdienst. Ein Video zeigt das besondere Ereignis (mdr)-Bericht vom Reformationsfest 2022): In der Kirche Zum Kripplein Jesu im thüringischen Sülzdorf erklingt am Reformationstag nach langen Jahren die Orgel das erste Mal wieder. Die Kirchenbänke sind voll besetzt. Nicht alle, die sich an diesem Tag dort zusammenfinden, werden sich an die Klänge erinnert haben: Jahrzehntelang war das Instrument verstummt gewesen.
Groß ist die Freude in Sülzdorf, und besonders glücklich ist Claudia Bari. Die Organistin freut sich über die neuen Möglichkeiten, die die instandgesetzte romantische Orgel ihr bietet: „In Thüringen gibt es vorwiegend Barockorgeln. Unser Instrument aber kann Klangfarben hervorbringen, die sonst sehr selten zu hören sind. Und es ist – noch eine Besonderheit – voll pneumatisch und damit schön leicht zu spielen.“
Unter den vielen Besucherinnen und Besuchern am Reformationstag in Zum Kripplein Jesu befanden sich auch die beiden Orgelbauer. Die Firma, die sie entsandt hatte, so verrät Claudia Bari, hat eine ganz besondere Beziehung zu Orgel und Ort, handelte es sich bei Romanus Seifert & Sohn doch um Nachfahren des Erbauers Ernst Seifert. 1912 hatte der gebürtige Sülzdorfer das Instrument für die Kirche geschaffen und – eine Gravur an einer Orgelpfeife zeugt noch davon – seiner Heimatgemeinde gestiftet. 110 Jahre später konnten die Orgelbauer der fünften Generation das Werk wieder ertüchtigen lassen. Am Reformationstag waren Roman Seifert und seine Familie dann sogar höchstpersönlich nach Sülzdorf gekommen. „Nebenbei konnten sie Verwandte besuchen, die sie bisher noch nicht kannten“, berichtet Claudia Bari lächelnd. Ein weiteres Plus: „Die Firma hat uns einen Freundschaftspreis gemacht.“
Zum Kripplein Jesu Sülzdorf
Zum Kripplein Jesu Sülzdorf
Zum Kripplein Jesu Sülzdorf
Zum Kripplein Jesu Sülzdorf
Zum Kripplein Jesu Sülzdorf
Rund 44.000 Euro hatte die Gemeinde trotz der Seifertschen Großzügigkeit für die Sanierung der historischen Orgel noch aufzubringen. Die Stiftung Orgelklang stellte 4000 Euro zur Verfügung. Der Rest der Summe, sagt die Organistin, kam zu großen Teilen durch Spenden zusammen. Denn das Interesse in der Region an dem besonderen Instrument war enorm: Die Medien berichteten, es gab sehr zuverlässige Spenderinnen und Spender, viele davon gaben hohe Beträge. „Einer hat uns regelmäßig anonym einen Umschlag in den Kasten geworfen“, erinnert sich Bari. Die Gemeinde organisierte kleine Feste und Aktionen, Bari selbst bot immer wieder Führungen an, „damit man sieht, dass hier nicht alles ganz in Ordnung ist“.
Nicht ganz in Ordnung war so Einiges: Die Orgelpfeifen mussten ausgebaut, gereinigt und aufgearbeitet werden, auch der an der Seite in das Gehäuse eingebaute Spieltisch wurde restauriert. Nach vielen Wochen Arbeit konnten Romanus Seifert & Sohn das Pfeifenwerk wieder einbauen, das Instrument nachintonieren und stimmen.
Schon bevor die „Orgel des Monats Dezember“ fertig gestellt war, weckte sie Begehrlichkeiten auch außerhalb von Sülzdorf. Einige Kantorinnen und Kantoren aus anderen Gemeinden und Regionen hatten schon angefragt, das sanierte Instrument einmal spielen zu dürfen, berichtet Claudia Bari nicht ohne Stolz. Und zum ersten Konzert gab es gleich prominenten Besuch aus Dresden: Es spielte Matthias Grünert, der Kantor der Frauenkirche.