Weihnachten mit Orgelklang?
„Orgel des Monats Dezember 2021“ in Profen
Weihnachten wäre gerettet in Profen (Sachsen-Anhalt): Die Tanne in der Evangelischen Kirche ist aufgestellt, die Krippe steht bereit. Und sollte die Pandemie einen Gottesdienst zulassen, könnte sogar die Orgel erklingen. Das ist keine Selbstverständlichkeit in diesem Jahr, befand sich das Instrument, in alle seine Bestandteile zerlegt, doch bis vor kurzem noch in der Werkstatt im knapp drei Autostunden entfernten Werder in Brandenburg.
„Sieben Register bekommen wir zu Weihnachten zurück“, mutmaßt Sigrid Buchholz, die Vorsitzende des Gemeindekirchenrates. Sie freut sich, wenn der Klang der Orgel, der sie ihr Leben lang bei Gottesdiensten und hohen Festen begleitet hat, wieder in die Dorfkirche einzieht. Als Kind hat die inzwischen 65-Jährige sogar selbst am Spieltisch gesessen. „Der Pfarrer brachte mir dort das Klavierspielen bei, er wollte die musikalische Begleitung bei den Gottesdiensten sicherstellen.“ Nicht nur schöne Erinnerungen, sondern auch ganz objektive Gründe haben die Gemeinde bewogen, das historische Instrument instand setzen zu lassen, berichtet die Kirchenratsvorsitzende. Zum Beispiel die Originalität des Werkes. „Kegelladen waren in der Erbauungszeit der Orgel nicht selbstverständlich.“
Vor 168 Jahren wurde das Instrument in der Profener Kirche von dem Eilenburger Orgelbaumeister Conrad Geißler gefertigt. Er war bei Eberhard Friedrich Walcker in Ludwigsburg in die Lehre gegangen und hatte dort den damals noch kaum praktizierten Bau mechanischer Kegelladenorgeln erlernt. Das Instrument in Profen ist vermutlich die älteste erhaltene Orgel dieser Bauweise in Ostdeutschland (und mit 24 Registern eine der größten älteren Kegelladenorgeln deutschlandweit). Ab 1857, also nur wenige Jahre nachdem er das Instrument in Profen geschaffen hatte, baute Geißler dann nur noch Orgeln, die durch Schleifladen mit Wind versorgt wurden.
Dorfkirche Profen, Conrad Geissler (Eilenburg) (1853)
Dorfkirche Profen, Conrad Geissler (Eilenburg) (1853)
Dorfkirche Profen, Conrad Geissler (Eilenburg) (1853)
Dorfkirche Profen, Conrad Geissler (Eilenburg) (1853)
Dorfkirche Profen, Conrad Geissler (Eilenburg) (1853)
Dorfkirche Profen, Conrad Geissler (Eilenburg) (1853)
Dorfkirche Profen, Conrad Geissler (Eilenburg) (1853)
So solide und robust Geißlers Handwerk gewesen sein muss – der Zahn der Zeit, noch berühmter und vor allem langlebiger als der Orgelbaumeister, war selbstverständlich ebenfalls an der „Orgel des Monats Dezember 2021“ tätig. Unterstützung bekam er durch Holzwürmer, aber auch Umwelteinflüsse wie die Schwelgase, die sich bei der Braunkohleverarbeitung bildeten, setzten dem Instrument zu, berichtet Sigrid Buchholz. Nun wird umfassend reagiert: „Seit ich denken kann, gab es immer mal wieder notdürftige Reparaturen an der Orgel, aber eine komplette Sanierung findet jetzt zum ersten Mal statt.“
Mut für „dieses Abenteuer“ hat ihr Gemeindekirchenrat nur deshalb gewonnen, „weil die Gemeinde und die Menschen im Ort dahinter stehen“. Seit vielen Jahren schon werden in Profen Spenden für die Restaurierung gesammelt, das entsprechende Glas in der Kirche findet regelmäßig Beachtung und Füllung. Ein Schlüssel zum Spendenglück ist sicher auch die Vernetzung der kirchlichen mit der weltlichen Gemeinde. „Wenn es ein Sportfest gibt oder eines von der Feuerwehr, dann werden wir zum Beispiel für ein Kuchenbuffet angefragt, Konzerte und Kabarett-Abende in der Kirche werden von allen hier im Ort geschätzt und beim anstehenden Fest zum Dorfjubiläum sind wir selbstverständlich auch mit dabei“, sagt Sigrid Buchholz.
Rund 70.000 Euro waren für den ersten Sanierungsschritt aufzuwenden; mit 5.000 Euro hat die Stiftung Orgelklang die Gemeinde unterstützt. Damit in den kommenden Jahren auch die übrigen Register, das zweite Manual und das Pedal der Geißler-Orgel wieder erklingen können, werden weitere Gelder nötig sein; insgesamt rechnet man in Profen mit Kosten von mehr als 200.000 Euro. Aber das wird alles mit Augenmaß und Schritt für Schritt umgesetzt werden – später, sagt Sigrid Buchholz. Denn jetzt steht erst einmal Weihnachten an. „Auf jeden Fall“, versichert sie, „wird es eine festlich geschmückte ‚Offene Kirche‘ geben mit Krippenszene, vielen Kerzen, großem Stern, einem Weihnachtsgruß zum Mitnehmen und zeitweise hoffentlich auch mit Orgelmusik“.