Wiederherstellung eines Klangs „von großer Schönheit“
„Orgel des Monats Dezember 2020“ in Grimma
Die Melodien von Paul Gerhards Kirchenliedern im Ohr zu haben, ist ein Gewinn, auch und gerade in Corona-Zeiten. Lange bevor er beflügelnde und ergreifende Lieder wie „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ oder „Die güldne Sonne“ komponierte, lebte Gerhard in der Stadt, in der unsere „Orgel des Monats Dezember 2020“ zu Hause ist: im sächsischen Grimma. Dort wurden die Grundlagen des damals schon verwaisten Jungen für seine musikalische und dichterische Bildung gelegt: Das Gymnasium St. Augustin, das er zwischen 1622 und 1627 besuchte, unterwies seine Schützlinge auch in den „artes liberalis“ (also in Rhetorik, Dialektik, Musik und Poetik). Gerhard absolvierte die fünf Jahre in Grimma mit Bravour, man bescheinigte ihm Disziplin, Fleiß und Talent. So gerüstet, zog er weiter nach Wittenberg.
An den berühmten Schüler erinnert in Grimma heute eine Büste am Eingang des Gymnasiums; auch Musik in allen ihren Spielarten ist nach wie vor wichtig in der heute viertgrößten Stadt in Sachsen. Das gilt auch für die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde. Es gibt einen Jugendchor, einen Posaunen- und einen Kirchenchor und eine Kurrende. Außerdem werden – jedenfalls, wenn kein Virus stört – viele Konzerte gegeben. Das musikalische Angebot in der Grimmaer Frauenkirche wird umhegt von einem „Freundeskreis Kirchenmusik“. Die Mitglieder dieses Kreises sind es auch, die sich jetzt mit engagieren für die Sanierung der Orgel in der Grimmaer Frauenkirche. Sie kümmern sich um Arbeiten, die nicht vom Orgelbauer vorgenommen werden müssen, und sie organisieren Benefizkonzerte, Orgelführungen und andere Aktionen, bei denen Spenden für das Projekt gesammelt werden. Insgesamt ein 80.000-Euro-Projekt. Die Stiftung Orgelklang fördert es mit 3.000 Euro.
Frauenkirche Grimma
Frauenkirche Grimma
Frauenkirche Grimma
Frauenkirche Grimma
Frauenkirche Grimma
Frauenkirche Grimma
Frauenkirche Grimma
Frauenkirche Grimma
Was ist das für ein Instrument, das so viel Zuwendung braucht und erfährt? „Von großer Schönheit“, heißt es im Förderantrag der Gemeinde, ist sein Klang. Und auch technisch habe die Orgel „hohen Denkmalwert“. 1890 hatte die Firma Jehmlich das Instrument für die Frauenkirche gefertigt; 38 Jahre später baute Hermann Eule aus Bautzen es so grundlegend um, dass die Orgel heute seinen Namen trägt. Er versah sein Opus 167 mit einer pneumatischen Traktur und mit Taschenladen (Taschen sind die Lederteile, die die Ventile bewegen). Beides wird heute nicht mehr gebaut. Auch daher ist das Instrument, davon sind die Verantwortlichen überzeugt, „in technischer und klanglicher Sicht aber unbedingt erhaltenswert“.
Und so stehen seit August dieses Jahres nicht Kirchenlieder, sondern die Generalreinigung und Instandsetzung der 92-jährigen Eule-Orgel in der Frauenkirche auf dem Programm. Allein die Ertüchtigung der rund 2000 Pfeifen aus Metall, Holz oder anderen Materialien macht einen Großteil der Arbeiten aus. Auch Holzwurm und Schimmel müssen behandelt werden, „mehr, als uns lieb ist“, sagt Pfarrer Thorsten Merkel. Einige Windladen sind ebenfalls zu restaurieren. Ein Einsatz, der sich unbedingt lohnt: Nicht nur, dass das Instrument für die Ausbildung des Orgelnachwuchses Verwendung finden soll. Auch wird niemand bestreiten, dass ein Gottesdienst ohne Orgelklänge nicht ganz so nachdrücklich zur seelischen Erhebung beiträgt. Im Frühjahr soll die Eule-Orgel neu intoniert werden und zu Pfingsten, hofft man in Grimma, wird sie wieder im Gottesdienst spielen - vielleicht auch mit dem Klassiker von Paul Gerhard „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“.