Guter Orgelklang für die Prignitz
„Orgel des Monats Februar 2021“ in Bentwisch
Auch telefonieren kann schwierig sein zu Corona-Zeiten. Oder lustig: Bei Pfarrerin Mareike Sabl toben – wie bei vielen Eltern, die in diesen Wochen von zu Hause aus arbeiten - kleine Kinder um sie herum, während sie spricht. Drei Vergnügte spielen und juchzen und rennen, wie sich das für Kinder gehört. Kein Zweifel, sie fühlen sich wohl in ihrem Zuhause in der Burgstraße im brandenburgischen Wittenberge. Das gilt übrigens für die gesamte Familie - und außerdem ganz grundsätzlich: „Wir sind wirklich froh, hier zu sein“, sagt Mareike Sabl. Die junge Pfarrerin ist verantwortlich für vier Dörfer im Umland von Wittenberge und zur Hälfte auch für die Stadtgemeinde. Es ist ihre erste Stelle nach dem Vikariat, vor drei Jahren ist sie mit ihrer Familie ist aus Berlin hergezogen.
Neben der Betreuung von Kindern und Gemeindegliedern steht (der eigentliche Anlass des Telefonats:) die Sanierung der Orgel in der Dorfkirche Bentwisch weit oben auf der Agenda der Pfarrerin. Das Instrument wurde im Jahr 1900 von den Brüdern Paul und Oswald Dinse geschaffen. 1872 hatten sie die Werkstatt ihres Vaters übernommen, unter der Führung der Brüder wurde sie zum bedeutendsten Orgelbaubetrieb in Berlin. Als die Bentwischer Orgel entstand, umfasste das Œuvre der Werkstatt Dinse mehr als 600 Instrumente, die bis nach Litauen und Russland verkauft wurden.
An der inzwischen über 120 Jahre alten Dinse-Orgel in Bentwisch sind im Laufe ihres Daseins auf der Empore am Westende des Kirchenschiffs nur wenige kleinere Arbeiten vorgenommen worden – ein Glücksfall aus heutiger Sicht, denn daher ist das Instrument so gut wie original erhalten. Insbesondere die letzten zwei Sommer mit ihrer Trockenheit haben der „Orgel des Monats Februar 2021“ allerdings stark zugesetzt: Ihre Register lassen sich nicht mehr richtig ziehen, sie hat Risse im Holz, ihre Pfeifen klingen oft schräg; inzwischen wird das Instrument gar nicht mehr gespielt. Aber diese Stummheit soll nicht mehr lange dauern: „Der Orgelbauer steht schon in den Startlöchern“, sagt Mareike Sabl, „wir rechnen damit, dass wir im Frühjahr mit der Sanierung loslegen können“.
Dorfkirche Bentwisch, Dinse-Orgel (1900)
Dorfkirche Bentwisch, Dinse-Orgel (1900)
Dorfkirche Bentwisch, Dinse-Orgel (1900)
Dorfkirche Bentwisch, Dinse-Orgel (1900)
Dorfkirche Bentwisch, Dinse-Orgel (1900)
Dorfkirche Bentwisch, Dinse-Orgel (1900)
Pfeifenwerk, Windladen, Spieltisch – sie alle müssen überarbeitet werden. Benötigt werden außerdem ein neuer Winderzeuger und eine Beleuchtung für den Spieltisch. Auch muss das Instrument vom Holzschutzmittel gereinigt werden. Rund 34.000 Euro sind für die Arbeiten im Finanzplan der Gemeinde vorgesehen, mit 3.000 Euro fördert die Stiftung Orgelklang die Instandsetzung.
„Die Orgel ist der Gemeinde wichtig, sie gehört wie die Kirche einfach dazu“, betont Pfarrerin Sabl. Selbstverständlich sammeln die Bentwischer Spenden für die Sanierung, wann immer es möglich ist: Kollekten kommen der Orgel zugute, ebenso Einnahmen aus Chorkonzerten. Viele „gute alte Obstkuchenrezepte“ kamen schon zur Anwendung, erinnert sich Sabl, die Kuchen wurden bei Gemeindefesten oder Adventbasaren verkauft. Lang scheint das her zu sein. „Im Moment sind wir wirklich sehr eingeschränkt.“ Immerhin, auch in Bentwisch hilft das Digitale: Zur Weihnachtszeit gab es nochmal einen Spendenaufruf im Gemeindebrief und im Internet, „das wird schon von allen gelesen“.
Mareike Sabl persönlich mag besonders den „hellen, warmen Klang“ der Dinse-Orgel, „das hat etwas Erhebendes“. Und natürlich gehöre Orgelklang zu jedem Weihnachtskonzert zum Gottesdienst dazu – „das hört man ja auch draußen!“ Um noch mehr solcher Töne in der Region erklingen zu lassen, hat die Kreiskantorin im vorvergangenen Jahr das Projekt „Orgelklang Prignitz“ ins Leben gerufen: Sie unterrichtet musikalische Laien an den Instrumenten in ihren Dörfern und Städten. Sobald die Dinse-Orgel instandgesetzt ist und Corona Begegnungen wieder möglich macht, soll das Projekt auch in Bentwisch angeboten werden.