Zeugin des Übergangs zwischen Romantik und Neobarock
In Kellinghusen wird eine von weltweit drei verbliebenen Sauer-Orgeln restauriert
Viele Jahre ist es her, aber Manfred Bethke erinnert sich noch genau an dieses eine Orgelkonzert: „Es wurde auch ein Lied aus dem ‚Phantom der Oper‘ gegeben. Bei den Klängen haben sich mir die Nackenhaare aufgestellt“. Auch wenn ihm dieses Stück in besonderer Weise zu Herzen gegangen ist – ein großer Freund des Instruments in der St. Cyriacus-Kirche in Kellinghusen war Manfred Bethke schon vorher: „Für mich hat sich die Orgel immer außergewöhnlich schön angehört“.
Aus diesem Grund gehört Bethke auch zu den Mitgliedern des Orgelbauvereins Hennstedt-Kellinghusen e. V., der sich gründete, als Ende der 90er Jahre deutlich wurde, dass das Instrument einer Generalüberholung bedürfen würde. „Für mich als Laien war das damals noch nicht zu hören. Aber es gab ein Gutachten des Landeskirchenmusikdirektors, aus dem hervorging, dass dringender Sanierungsbedarf besteht“. Seitdem sind viele Jahre vergangen, und nach und nach war auch für das ungeschulte Ohr zu erkennen: „Da stimmt etwas nicht“.
St. Cyriacus Kellinghusen
St. Cyriacus Kellinghusen
St. Cyriacus Kellinghusen
St. Cyriacus Kellinghusen
St. Cyriacus Kellinghusen
St. Cyriacus Kellinghusen
St. Cyriacus Kellinghusen
1930 wurde das Instrument nach einem großen Kirchenbrand auf der Empore von St. Cyriacus installiert, hergestellt in der traditionellen Orgelbaufirma Sauer aus Frankfurt an der Oder. Obwohl die Disposition sich an der Orgelreformbewegung der 20er Jahre orientierte, die auch durch die Firma Sauer maßgeblich geprägt wurde, weisen die Register weitgehend romantische Mensuren auf; die „Orgel des Monats September“ der Stiftung Orgelklang zeugt damit auf bemerkenswerte Weise von der Übergangszeit zwischen romantischem und neobarockem Orgelbau. Von besonderem Wert ist das Instrument auch deshalb, weil es eines von weltweit nur noch drei erhaltenen Sauer-Orgeln dieser Übergangszeit ist; die anderen beiden Exemplare sind in Polen und Dänemark beheimatet.
Im Alter von 30 Jahren wurde die Orgel von der Firma Kemper aus Lübeck elektrifiziert, wobei die pneumatische Anlage innerhalb des Gehäuses erhalten blieb, so dass die Ton- und Registersteuerung seitdem auf elektropneumatische Weise geschieht. Danach legten nur ausübende Organistinnen und Organisten Hand an. Sie entlockten dem Instrument Töne, die viele Menschen ähnlich wie Manfred Bethke verzauberten – bis die Sanierung unausweichlich wurde.
Seit März dieses Jahres ist die Sauer-Orgel nicht mehr im Dienst; die Pfeifen lagern im Kirchenschiff, andere Bestandteile sind in eine Werkstatt nach Dresden verbracht. „Die Ventile, so genannte Witzig-Taschen, wurden mit der Zeit immer brüchiger und störanfälliger“, berichtet Bethke, „außerdem wird die Orgel von Grund auf gereinigt werden“. Zusätzlich muss das Innengemäuer der Westwand von St. Cyriacus getrocknet und saniert werden, damit künftig kein Schmutz mehr in die Orgel gelangt.
Dass die Generalüberholung ihrer Orgel kostspielig werden würde, war den Kellinghusenern klar. „Seit wir wussten, dass saniert werden muss, haben wir Spenden gesammelt – im Verein, in Gottesdiensten und mit vielen tollen Konzerten“, sagt Manfred Bethke, „da kommt über die Jahre einiges zusammen“. Insgesamt wird die Restaurierung rund 175.000 Euro kosten; die Stiftung Orgelklang fördert – nicht zuletzt dank einer großzügigen Projektspende des Fördervereins – mit insgesamt 30.000 Euro.
In wenigen Wochen erwarten die Gemeindeglieder ihre Orgel zurück, für den ersten Advent ist das Weihnachtsoratorium von Camille Saint-Saens fest eingeplant. So richtig in Szene gesetzt wird das alte neue Instrument dann im kommenden Jahr: Für Februar 2016 ist bereits eine ganze „Orgelwoche“ geplant. Und sicher freut sich nicht nur Manfred Bethke auf „Orgel jeden Tag“.