Wie aus Skepsis Feuereifer wurde
„Orgel des Monats Februar 2017“ in Epschenrode
In oppositionellen Kreisen der ehemaligen DDR kannte ihn wohl jeder. Der evangelische Pfarrer Ehrhart Neubert spielte eine tragende Rolle in der Bewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ und während der Friedlichen Revolution gehört er 1989 zu den Gründern des Demokratischen Aufbruchs. Danach war er unter anderem Fachbereichsleiter in der Abteilung Bildung und Forschung beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, der damaligen Gauck-Behörde.
Heute, im Ruhestand, hat der inzwischen im thüringischen Limlingerode lebende Theologe sich eine neue Aufgabe gesucht. „Ich habe gelitten wie ein Hund, wenn ich über die Dörfer fuhr und den Niedergang all der schönen kleinen Kirchen gesehen habe“, sagt der 76-Jährige mit Nachdruck. Also hat er sich nach und nach einzelne Dörfer „vorgenommen“, darunter auch Epschenrode im Landkreis Eichsfeld. Nachdem die dort von ihm angestoßene Initiative zunächst für die Restaurierung der kleinen Dorfkirche St. Jacobi gesorgt hat, ist nun die Orgel an der Reihe. Die Stiftung Orgelklang fördert die Sanierung ihrer „Orgel des Monats Februar 2017“ mit 3.000 Euro.
Wie mobilisiert man ein ganzes Dorf? Erst im Februar vergangenen Jahres hatte Ehrhart Neubert sein Engagement in Epschenrode begonnen. Nach einem ersten Gespräch mit den Kirchenältesten suchte er den Kontakt zu den Dorfbewohnern, „egal, ob Kirchenmitglied oder nicht“. Es folgten ein Schreiben an alle Epschenröder und im Frühjahr eine erste Einladung zu Speis, Trank und Posaunenklängen. „Am Anfang waren einige Leute skeptisch, aber dann haben sie Feuer gefangen“, erinnert sich der Pfarrer. Seine direkte Ansprache und seine Beharrlichkeit kamen an. Schon beim ersten Arbeitseinsatz im Mai waren 30 der 140 Dorfbewohner dabei.
„Sowas habe ich noch nie erlebt“, staunt Neubert noch rückblickend über die Einsatzfreude der Epschenröder. Nicht nur, dass sich noch im Mai die nach einer Bronzeglocke von St. Jacobi benannte Initiative „Concordia“ gründete. „Jeden Mittwoch und auch jeden Freitag oder Samstag kamen zehn bis 15 Menschen, die in der Kirche verputzten, zimmerten oder malten.“ „Wunderschön“ sei die kleine Kirche jetzt, und entsprechend „groß sind die Erwartungen für die Sanierung der Orgel“. Seit rund 40 Jahren hat niemand mehr auf dem 1864 in der Werkstatt Knauf und Sohn erbauten Instrument gespielt. „Es gibt noch einige Ältere im Ort, die sich an die Klänge der Orgel aus ihren Kindheitstagen erinnern“, weiß Neubert. Auch der inzwischen über 80-jährige Organist Helmut Hofmann, der früher in St. Jacobi die Register zog, lebt noch im Nachbardorf. „Er hat schon heiße Tränen geweint, als er hörte, dass die Orgel wieder klingen wird.“
Ehrhart Neubert geht davon aus, dass die Sanierung im Frühjahr beginnen kann. Das Instrument ist stark verschmutzt und muss sorgfältig gereinigt werden. Außerdem wird der Spieltisch überarbeitet und eine elektrische Balganlage eingebaut. Die ausführende Orgelbaufirma in Halberstadt erhielt den Zuschlag, weil sich der Firmenchef bereit erklärte, das Engagement der Epschenröder in das Projekt einzubinden. Zwei Bauingenieure und ein Tischler in Rente von „Concordia“ haben sich bereit erklärt, nach Kräften mitzuwirken. Das senkt natürlich die Kosten für die Sanierung, für die nun 25.800 Euro veranschlagt sind.
Dass es künftig genügend Menschen gibt, die am Spieltisch der Knauf-Orgel Platz nehmen, hält Ehrhart Neubert für ausgemacht. Nicht nur, dass es einen Organisten im Nachbarort gibt, der für Gottesdienste spielen könnte. Auch ein 16-jähriger Orgelschüler würde sich über den zusätzlichen Übungsplatz freuen. „Und natürlich werde ich zur Wiedereinweihung des Instruments auch Helmut Hofmann einladen, damit er ein Stück spielen kann.“
St. Jacobi-Kirche Epschenrode (Orgel Knauf & Sohn)
St. Jacobi-Kirche Epschenrode (Orgel Knauf & Sohn)
St. Jacobi-Kirche Epschenrode (Orgel Knauf & Sohn)
St. Jacobi-Kirche Epschenrode (Orgel Knauf & Sohn)
St. Jacobi-Kirche Epschenrode (Orgel Knauf & Sohn)
St. Jacobi-Kirche Epschenrode (Orgel Knauf & Sohn)