Sterne, Tannen, Orgelfeuer
In Ober-Saulheim ist die Finanzierung der Orgelsanierung geschafft - mit Ideenreichtum und Beharrlichkeit
Knusprig, kuchig und so klein, dass sie nach zwei Bissen verschwunden sind: Die „Orgel-cake pops“, die beim diesjährigen Adventsmarkt der Gemeinde Ober-Saulheim in Rheinhessen angeboten wurden, brachten viele Besucher dazu, ein zweites oder drittes Mal in ihre Geldbörse zu greifen. Erhältlich in Tannen- oder Sternform und verziert mit unterschiedlichsten Schokogüssen, waren die Leckerbissen am Stiel vor allem bei Kindern und Jugendlichen beliebt, berichtet Doris Neuhäuser. Neuhäuser ist Mitglied des Fördervereins „Orgelfreunde“ in Ober-Saulheim und gleichzeitig Organistin der Gemeinde; sie hat den Stand des Vereins auf dem Weihnachtsmarkt mitbetreut und dort verkauft: die cake pops, handgefertigte Backmischungen und von Konfirmanden gebackene Plätzchen. Großen Zuspruch gab es auch beim Glühwein und beim eigens kreierten „Orgellikör“, zu erstehen wahlweise als „Orgelfeuer“ für den Herrn oder „Orgelkuss“ für die Dame.
Ev. Kirche Ober-Saulheim
Ev. Kirche Ober-Saulheim
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Viel haben sich die Orgelfreunde in Ober-Saulheim einfallen lassen in den vergangenen Jahren, um Geld für die Sanierung „ihres“ Instruments zu sammeln. „Vor zwei Jahren“, erinnert sich Neuhäuser, „haben wir unseren Bürgermeister mit Cent-Münzen aufgewogen. Das Schauspiel, bei dem „der ganze Ort zuschaute“, entpuppte sich als unterhaltsame Zitterpartie. „In letzter Minute zog der Bürgermeister seine Jacke aus, und es war geschafft!“
Neuhäuser kennt fast alle Kapitel der langen Geschichte der Spendengewinnung, und sie freut sich, „dass es mit viel Kreativität immer wieder gelingt, das Instrument ins Bewusstsein der Menschen“ zu holen. Und Aufklärung zu betreiben: „Wie viele Etagen hat Ihre Orgel denn“, habe sie ein kleiner Junge gefragt, neulich beim Benefizkonzert mit dem Kinderchor, erzählt die Organistin.
Nach mehr als 30 solcher Konzerte und vielen anderen Aktionen steht nun endlich genügend Geld zur Verfügung und der Sanierung der Saulheimer Orgel samt ihrer „Etagen“ nichts mehr im Wege. Insgesamt 165.000 Euro wird die Instandsetzung kosten. Die Stiftung Orgelklang fördert ihre „Orgel des Monats Dezember“ im Jahr 2013 mit 3.500 Euro, im kommenden Jahr mit weiteren 6.500 Euro.
Was macht das im Jahr 1765 von Johann Christoph Kohlhaas erbaute Instrument so besonders? Der vielfältige Klang, sagt Neuhäuser sofort: „Die Orgel inspiriert zum Improvisieren, sie hat – obwohl sie eigentlich recht klein ist - einen Strahlklang wie im Barock, gleichzeitig kann man sie auch ganz sanft, weich und gefühlvoll spielen“.
Dieser Klang hat im Laufe der Jahre gelitten, und die Orgel ist inzwischen in vielerlei Hinsicht bedürftig: Zunächst muss die Windversorgung durch hölzerne Keilbälge dem ursprünglichen Zustand entsprechend zurückgeführt werden, „denn“, erklärt die Organistin, „der schnell laufende Motor, der in den sechziger Jahren eingebaut wurde, erzeugt viel zu harten Wind.“ Auch die Pfeifen seien in dieser Zeit verrückt worden, um die Tonhöhe der Orgel dem Zeitgeschmack anzupassen – mit dem Ergebnis, dass sie nun zu eng stehen und, weil aus der originalen Halterung gelöst, bisweilen sogar schief. Auch die Ausreinigung der Windladen, der Austausch verschlissener Materialien und die Intonation im ursprünglichen Sinne stehen auf der Liste der Orgelbaufirma, die in wenigen Tagen mit dem Abbau des Instruments beginnen wird.
Wird der Weihnachtsgottesdienst also ein orgeltonloser? „Zum Glück beginnt der Abbau mit dem Pedal“, lacht Neuhäuser, „da muss dann eben manualiter gespielt werden“. Wenn Weihnachten also auch gerettet sein mag – ganz ohne klangliche Einbußen wird die Restaurierung der historischen Orgel nicht zu haben sein, auch wenn Bläserkreis und Kirchenchor schon Unterstützung angesagt haben. Etwa ein halbes Jahr lang, schätzt Neuhäuser, wird das Instrument im regulären Gottesdienst fehlen. Ein Harmonium soll notdürftig Ersatz leisten. Aber „Und wir haben auch schon überlegt, einige Gottesdienste ganz bewusst ins Gemeindehaus zu verlegen“, sagt die Organistin. Denn: „Es ist gut, wenn wir den Einschnitt deutlich spüren“.