Orgel des Jahres gesucht
Im Gespräch mit domradio.de
Die Stiftung Orgelklang lässt zwölf historische Orgeln um den Titel "Orgel des Jahres 2017" konkurrieren. Musikliebhaber und Interessierte sind aufgerufen, bis Ostern im Internet abzustimmen. domradio.de, der katholische Sender der Erzdiözese Köln, hat mit Johannes Goldenstein von der Stiftung Orgelklang gesprochen.
DOMRADIO.DE: Was macht die nominierten Orgeln so besonders?
Johannes Goldenstein (Evangelische Kirche in Deutschland): Diese Orgeln sind kleine Schätze in Orten, die kaum einer kennt. Ich selber habe auch erst an vielen Stellen recherchieren müssen, wenn die Anträge kommen. Das zeigt die Lebendigkeit der Orgellandschaft in Deutschland mit etwa 50.000 Orgeln in kleinen Dorfkirchen, viele aus dem 19. Jahrhundert, manche schon älter, die mit starken Temperaturschwankungen, Witterungsbedingungen und Altersfragen echte Pflegeobjekte geworden sind. Da sind kleine Kirchengemeinden, die mit wenig Mitteln einen enormen Aufwand betreiben müssen, wenn sie ihr Instrument erhalten wollen.
DOMRADIO.DE: Was habe ich davon, "Orgel des Jahres" zu werden?
Goldenstein: Zunächst mal ein Stück ein Öffentlichkeit. Und das ist für eine Orgel und die Menschen, die sich darum kümmern, immer besonders schön. Wenn man sich vorstellt, wieviel da an ehrenamtlichen Sachen läuft, zum Beispiel durch Fördervereine. Da gibt es viele tolle, kreative Ideen, in Radeburg hat man Orgelbrot gebacken und Orgelwurst gemacht. Oder in einem anderen Ort ist es gelungen, zusätzlich zur Orgelbaufirma, Handwerker vor Ort zu beteiligen. In Epschenrode, in Thüringen, können Menschen im Ruhestand, mitarbeiten. Wir fördern gerne Projekte, wo eine gute Mischung aus dem Engagement vor Ort und etwas Besonderes in den Instrumenten selber liegt und die Orgelbaukultur der Zeit und der Region gut unterstützt werden kann.
DOMRADIO.DE: Warum ist es so wichtig, Orgelmusik zu fördern? Es gibt so viele wichtige Projekte...
Goldenstein: Das ist so. Gesamtkirchlich gesehen, wird ja auch ganz viel gefördert. Aber die Musik ist ja geheimnisvollerweise das, was ganz viele Menschen, die sonst wenig Kontakt mit Kirche und Religion haben, weiter damit zusammenhält. Das merkt man gerade in vielen Orten in Ostdeutschland, das sich Menschen bei diesen Förderprojekten beteiligen, die selber erklärtermaßen wenig Kontakt zu ihrer Kirchengemeinde haben. Die haben ein Interesse daran, dass die Kirche im Ort bleibt und dass es dort eine Orgel gibt, die gespielt werden kann. Auch, wenn sie selbst selten am Sonntag im Gottesdienst zu sehen sind.
DOMRADIO.DE: Gilt das denn auch für jüngere Menschen? Die Orgel hat ja oft das Etikett: alt und verstaubt...
Goldenstein: Das gilt auch für jüngere Menschen, zum Glück. Da profitieren wir als Kirche am Ende auch von der Popularität, die die Orgel im Moment wieder in den Konzerthallen, etwa in der Elbphilharmonie gewinnt. Außerdem ist in der jungen Generation Interesse da, selber so ein Instrument zu lernen, dass so viele Spielmöglichkeiten hat und das ja im Grunde ein ganzes Orchester ersetzen kann, auch wenn der Klang dann wieder ganz anders ist.
DOMRADIO.DE: Was macht die Orgel für Sie so besonders als Kulturgut?
Goldenstein: Die Orgel ist, wenn man sich zum Beispiel in der Popularkultur, im Fernsehen umschaut, das Klangelement, dass am stärksten in der öffentlichen Wahrnehmung mit Kirche verbunden wird. Wenn der Tatort kommt und eine Kirche eingeblendet wird, dann ist der Sound dazu Orgelmusik. Die Menschen verbinden Orgel mit Kirche, obwohl die Orgel ursprünglich aus dem profanen Bereich kommt und nichts mit Christentum zu tun hatte.
DOMRADIO.DE: Seit Weihnachten gibt es eine neue Orgel im Petersdom, der größten katholischen Kirche der Welt. Dort steht eine Digitalorgel, das heißt der Ton wird nicht mit Pfeifen, sondern von einem Computer erzeugt. Darüber wird kontrovers diskutiert. Was halten Sie davon?
Goldenstein: Ich habe davon gelesen und meine erste Assoziation war: Digitalorgel kenne ich als Übeinstrument von Organisten im Wohnzimmer, die sich zu Hause vorbereiten und im evangelischen Bereich ganz viel in Friedhofskapellen. Ist das vom Status her angemessen im Petersdom? Aus der Perspektive einer Stiftung, die Orgelbau fördert, geht es bei Orgelbau auch immer um Handwerkskunst. Frei nach Reinhard Mey: "Ich lob mir ein Instrument von Hand gemacht." In Zeiten der Digitalisierung kann man auf der anderen Seite schon fragen, ob es nicht Situationen gibt, in denen man den besonderen Anforderungen durch die Größe des Raumes und nicht entgegen kommen muss mit den technischen Möglichkeiten, die wir heute haben.
DOMRADIO.DE: Aber Orgel des Jahres wird diese Orgel nicht, oder?
Goldenstein: Ich würde vermuten, nein!
Das Gespräch führte Matthias Friebe. Veröffentlichung auf stiftung-orgelklang.de mit freundlicher Genehmigung von domradio.de (zum Originalartikel).